Von Annika Heffter , Fotos & Illustrationen: Meli Dikta & Isabelle Hagner
Was Heilbronn zur attraktiven Stadt für junge Menschen machen soll
In einem neuen Sammelband beleuchtet der Heilbronner Verein für Zukunftsvisionen Aspekte, die die Stadt für junge Menschen attraktiver machen könnten. Die Mitglieder wollen die Innenstadt lebendiger machen und die Bahnhofsvorstadt in eine Art Kiez verwandeln.
Ein Schwarm, vor allem junger Menschen, der in die Stadt kommt und bleibt – das ist der große Traum des Heilbronner Vereins für Zukunftsvisionen. »Heilbronn auf dem Weg zur Schwarmstadt?« heißt so auch ein neuer Sammelband, den die Vorstände des Vereins, DHBW-Professorin Yvonne Zajontz und Robert Mucha, herausgebracht haben.
Nicht nur sie kommen darin zu Wort, auch andere Akteure wie der Chef der Heilbronn Marketing GmbH, Steffen Schoch, oder die Leiterin der Stabsstelle Partizipation und Integration, Roswitha Keicher, schildern in den 21 Kapiteln ihre Sicht auf die Stadt.
Bei allem Lob für die Entwicklung Heilbronns in den letzten Jahren geht es in dem Buch aber auch um Punkte, in denen die Stadt noch »Luft nach oben« hat, wie Robert Mucha es ausdrückt.
Heilbronn gehört zu den sichersten Städten, fühlt sich aber nicht sicher an
Schon 2017 hatten die beiden Herausgeber eine repräsentative Studie durchgeführt, um herauszufinden, welche Aspekte die Heilbronner besonders positiv oder negativ bewerten. 2020 folgte eine weitere Studie, um auf die Entwicklung in den drei Jahren zu schauen.
Die Umfragen zeigen: Besonders in den Bereichen öffentliche Verkehrsmittel, Kultur- und Nachtleben sowie Sicherheitsgefühl gibt es Verbesserungswünsche. Dass die Studienteilnehmer beim Thema Sicherheit nur die Durchschnitts-Schulnote 3,1 (2017: 2,9) vergeben haben, sei ein überraschendes Ergebnis: »Alle Statistiken zeigen, dass Heilbronn zu den sichersten Städten überhaupt gehört«, sagt Yvonne Zajontz. Doch das subjektive Gefühl ist offenbar ein anderes.
Wichtige Strukturveränderungen im Bereich Kultur angestoßen
Außerdem würden vielen Heilbronnern ein pulsierendes Stadtleben und vielseitige Kulturangebote fehlen, berichtet Robert Mucha. Gerade diese seien aber entscheidend auf dem Weg zur Schwarmstadt. Das Nachtangebot des ÖPNV sei ebenfalls ein Teil davon, der noch ausgebaut werden müsste. Dennoch sagt Mucha: »Es sind schon wichtige Strukturveränderungen geschehen.«

Co-Herausgeber Robert Mucha: »Am eindrücklichsten ist die Statistik, wie viele Heilbronner Freunden einen touristischen Besuch in der Stadt empfehlen würden. Das sind im Vergleich zu 2017 fast zehn Prozent mehr.«
In den kommenden Jahren rechnet er mit mehr Kultur- und Freizeitangeboten, großen und kleinen, gerade für eine jüngere Zielgruppe, wie Poetry Slams oder Festivals. Dass Heilbronn nun auch ein soziokulturelles Zentrum bekommt, hält er für einen wichtigen Schritt.
Insgesamt, betonen Zajontz und Mucha, habe sich die Wahrnehmung der Stadt seit 2017 verbessert. »Am eindrücklichsten«, so Mucha, sehe man das an der Statistik, wie viele Heilbronner Freunden einen touristischen Besuch in der Stadt empfehlen würden. »Das sind im Vergleich zu 2017 fast zehn Prozent mehr«, berichtet er. Die Buga, die Experimenta und die Entwicklung des Bildungscampus hätten zu dieser Verbesserung beigetragen.
Bahnhofsvorstadt als »aufstrebendes Viertel mit Kiez-Potenzial«
Im Dynamikranking 2020 der Wirtschaftswoche ist Heilbronn zudem auf Platz drei gelandet. »Es ist also schon Tempo drin«, sagt Mucha. Deutlich, meint er, werde das auch durch die Entwicklung der Bahnhofsvorstadt. »Sie wird öffentlich als aufstrebendes Viertel mit Kiez-Potenzial wahrgenommen.« Dort gebe es alle Zutaten, die man für ein atmosphärisches, vielseitiges Viertel brauche. Die Heilbronner Innenstadt hingegen müsse noch mehr »zum Erlebnis« werden, mit weniger Leerständen und einer besseren Mischung aus Gastronomie, Shopping und sogenannten »Wissensinseln«, in denen sich zum Beispiel Bildungsinstitutionen den Bürgern mit kreativen Angeboten präsentieren könnten.

Ziel Schwarmstadt: Heilbronn soll sich zur nachhaltigen Schwarmstadt entwickeln.
Generell wünschen sich Yvonne Zajontz und Robert Mucha, dass viele der Ideen aus ihrem neuen Sammelband umgesetzt werden können. Das funktioniere aber nur, wenn es viele »Multiplikatoren und Influencer« gebe, die das Konzept »Schwarmstadt Heilbronn« weiterentwickeln und nach außen tragen.

317 Seiten Schwarmstadtforschung zu Heilbronn: Der Sammelband vonn Prof. Dr. Yvonnne Zaontz & Robert Mucha
Meinung: Bei den Angeboten für junge Menschen bleibt der Stadt Heilbronn noch Luft nach oben
Gerade für die jüngere Generation, zum Beispiel Studierende, könnte Heilbronn noch attraktiver sein. Ein Problem ist die Atmosphäre in der Stadt. Ein neues Konzept für die Fußgängerzone könnte etwas bewirken, findet Annika Hefter.
Es bleibt unbestritten, dass Heilbronn in den letzten Jahren attraktiver für junge Menschen geworden ist. Der Bildungscampus wächst, die Neckarmeile ist gerade bei Studierenden sehr beliebt, und endlich bekommt Heilbronn als letzte baden-württembergische Großstadt auch ein soziokulturelles Zentrum. Aber die Studien im neuen Buch zum Thema »Schwarmstadt Heilbronn« zeigen auch: Das reicht noch nicht. Zumindest nicht, um Schwärme junger Menschen anzulocken und zum Leben in der Stadt zu verleiten.
Das liegt unter anderem an der Atmosphäre in der Stadt. Die Fußgängerzone etwa wirkt selten wirklich lebendig. Ihr Konzept stammt aus einer anderen Zeit und dreht sich im Kern ums Shoppen. Mittlerweile sind die Ansprüche aber gewachsen: Restaurants, Bars, Cafés, Plätze zum Treffen, sich Austauschen, etwas Erleben, all das erwarten junge Menschen von einer attraktiven Innenstadt. Häufige und günstige ÖPNV-Verbindungen, eine fahrradfreundliche Infrastruktur und viele schöne Grünflächen spielen ebenfalls eine große Rolle.
Und nicht zuletzt: Zwar erfahren die Bildungsinstitutionen in Heilbronn in den letzten Jahren einen mächtigen Schub. Aber: Einer Universitätsstadt ohne geisteswissenschaftliche Studiengänge fehlt etwas. Denn diese können »Einfluss auf die Kreativität von Städten« haben, wie es in dem Sammelband des Vereins für Zukunftsvisionen heißt. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Heilbronn den Sprung zur Schwarmstadt schafft. Im Moment reicht es dafür noch nicht.
Weitere Infos zum Forschungsprojekt »Schwarmstadt Heilbronn«:
https://www.heilbronn.dhbw.de/schwarmstadt.html
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