Warum Wirtschaft und Gesellschaft sich verändern müssen

Die Studie “Die Grenzen des Wachstums” ist vor 50 Jahren erschienen, in Heilbronn gab es eine wissenschaftliche Konferenz zu dem Thema. Forscher des Ferdinand-Steinbeis-Instituts erzählen, was dabei herauskam.

Von Annika Hefter, Foto: Ralf Seidel

Aus unterschiedlichen Ländern und Regionen sind sie angereist – eine Geografin, ein Physiker und mehrere Wirtschaftswissenschaftler. Darunter auch Prof. Dr. Erich Zahn, einer der Autoren der 1972 veröffentlichen Studie “Die Grenzen des Wachstums”.

Und genau aus diesem Grund kommen sie 50 Jahre nach Erscheinen des Berichts in der Aula auf dem Heilbronner Bildungscampus zusammen: um über Grenzen zu sprechen. Über die Grenzen des Wachstums damals und heute, und wie wir vermeiden können, dass besonders folgenschwere Grenzen, die Kipppunkte im ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich, überschritten werden.

Eingeladen hatte die Experten das Heilbronner Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSTI). Nach der wissenschaftlichen Konferenz und einer Abendveranstaltung am Freitag erzählen Prof. Dr. Heiner Lasi, der Leiter des Heilbronner FSTI, und seine Kollegen Prof. Dr. David Rygl und Dr. Daniel Werth, was sie aus den Vorträgen und den Begegnungen an dem Tag mitnehmen.

Ganzheitlich betrachten, nicht nur aus den einzelnen Fachbereichen heraus

Die interdisziplinäre Mischung auf der Konferenz sehen die drei Wissenschaftler als einen großen Vorteil. Denn globale Herausforderungen wie die Klimakrise oder der übermäßige Verbrauch begrenzter Ressourcen sollten nicht nur aus den einzelnen Teildisziplinen heraus betrachtet werden. “Es war spannend zu sehen, wo die Experten auf der Konferenz Grenzen und Kipppunkte verorten und welche Überschneidungspunkte es in den Vorträgen gab”, sagt Rygl.

Dass Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen immer wieder zusammenkommen, um sich über ihre Perspektiven auszutauschen, sei wichtig, weil auf der Welt heutzutage alles mit allem irgendwie verbunden sei: “Es gibt nicht die eine Grenze des Wachstums. Die verschiedenen Kurven beeinflussen sich gegenseitig. Wenn wir an einer Größe drehen, müssen wir mit Konsequenzen in anderen Bereichen rechnen”, sagt Heiner Lasi.

Umdenken Richtung nachhaltigem Wachstum müsse stattfinden

Dabei ist den drei Forschern klar: So wie bisher können wir in Zukunft nicht mehr wirtschaften. Gerade in reicheren, westlichen Ländern, erklärt Lasi, müsse ein Umdenken stattfinden, nämlich, dass nachhaltiges Wohlbefinden wichtiger sei als materielles Wachstum und Wohlstand. “Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen”, sagt er.

Anderen Ländern, die denselben Wohlstand noch nicht erreicht haben, könne man dann auch “zeigen, wie Wachstum auch gehen kann”, ergänzt Daniel Werth. Damit könnten diese Länder Fehler, die früher gemacht wurden, und hohe ökologische Kosten im besten Fall vermeiden. Diese Kommunikation dürfe aber nicht von oben herab, sondern aus einem gemeinsamen Wir-Gefühl heraus geschehen. Vernetzung, das Wort fällt immer wieder: lokal, regional, global, zwischen Wissenschaftlern und in der Gesellschaft.

Mit digitalen Hilfsmitteln gegen die Klimakrise ankämpfen

Aber auch das Schlüsselwort “Digitalisierung” benutzen Lasi, Rygl, Werth sowie die anderen Experten auf der Konferenz häufig. Was hat es damit auf sich? “Sowohl im Ökologischen, als auch im Ökonomischen und Sozialen können digitale Technologien einen Mehrwert bieten”, sagt David Rygl. “Effizienz und Transparenz”, ergänzt Werth, könnten sich so verbessern.

Zum Beispiel beim Ressourcenverbrauch und Umweltschutz: In der Landwirtschaft könnten digitale und technische Hilfsmittel “die Landwirte unterstützen”, sagt Lasi, etwa durch mechanische Behandlung von Böden, damit weniger umweltbelastende Substanzen gespritzt werden müssten, oder um den Wasserverbrauch niedrig zu halten.

Auch in der Medizin gebe es viele Anwendungsbereiche, die etwa “gezielte Diagnosen und Behandlungspläne” ermöglichen. Solche individuellen, bedarfsbezogenen Lösungen seien ein gutes Mittel gegen Massenmärkte und Massenkonsum und könnten Ressourcen schonen.

“Soziales Wir” wichtig, um Grenzen weiter zu verschieben

Letztendlich gehe es aber auch um ein “soziales Wir”, erklärt Lasi. Das sei bei der Konferenz gut herausgekommen: Wenn Menschen glücklich zusammenleben, kümmern sie sich auch um einander und um ihre Umwelt. So könnten die Menschen auch im Kleinen verantwortungsvoll mit den Grenzen, die vor ihnen liegen, umgehen und sie im besten Fall weiter verschieben.

Wissenschaft und Gesellschaft zusammenbringen

Ziel des Ferdinand-Steinbeis-Instituts (FSTI) in Heilbronn ist es unter anderem, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenzubringen. Nur durch den Austausch und Diskussionen, erklärt der Leiter des Instituts, Heiner Lasi, könnten wissenschaftliche Erkenntnisse einen gesellschaftlichen Nutzen stiften.

Auch Veränderungen, zum Beispiel hin zu einer ökologischeren, nachhaltigeren Wirtschaft, würden von der Gesellschaft eher mitgetragen, wenn es ein Verständnis für die wissenschaftlichen Zusammenhänge gebe.

Die Abendveranstaltung zu “Die Grenzen des Wachstums” am Freitag sei nur ein erster Aufschlag gewesen, in den Austausch zu gehen. Für künftige Formate habe das Institut aus der Veranstaltung viel lernen können. In Zukunft wolle das FSTI einen noch größeren Fokus darauf legen, dass die Bürger auf Veranstaltungen miteinander und mit den Experten diskutieren und dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse verständlich vermittelt werden.