David Wuttke von der TUM Heilbronn hat im Sommersemester 2021 Vorlesungen in virtueller Realität gegeben. Im Interview spricht der Professor über Vor- und Nachteile und seinen persönlichen Wow-Moment.
Von Lisa Könnecke, Foto: TUM
Vorlesungen in virtueller Realität? Was futuristisch klingen mag, ist unter anderem an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität München (TUM) in Heilbronn Realität.
Dort wurden Studierende in Produktions- und Logistikkursen im Sommer 2021 mit Hilfe von VR-Brillen unterrichtet. Wir haben Professor David Wuttke ein erstes Fazit über die neuartige Technologie ziehen lassen.

Herr Wuttke, welches Fazit ziehen Sie aus den Vorlesungen in VR?
David Wuttke: Ich halte viel davon, wenn Technologien im Studium erprobt und am eigenen Leib erfahren werden. Es ist eine Sache, wenn ich in einer Vorlesung über digitale Transformation drei Folien präsentiere und eine andere Sache, wenn ich ein Headset aufhabe, mit der Bedienung umgehen lernen und mich in die Technik hineindenken muss. VR ist eine interessante und vielversprechende Technologie, die sehr viele Möglichkeiten bietet und auch schon sehr weit ist. Aber es gibt auch einige Herausforderungen, die man nicht unterschätzen darf. Wenn VR klassische Vorlesungen begleiten wird, kann man einen Mehrwert erreichen.
Was für einen Mehrwert?
Wuttke: In Pandemie-Zeiten muss man oft auf Video-Konferenzen ausweichen. Dann ist es häufig so, dass nicht alle Studierenden die Kamera einschalten. Dadurch leidet die Interaktion. Mit den VR-Brillen ist das anders: Wenn jemand etwas sagen möchte, hebt er beispielsweise virtuell die Hand.
Welche Vorteile sehen Sie noch?
Wuttke: Sich virtuell zu treffen ist toll, weil es mit keiner Anreise verbunden ist. Man kann von überall aus teilnehmen. Und: Während man im normalen Seminarraum einen oder zwei Beamer hat, kann man in der VR beliebig viele aufstellen. Whiteboards kann man auf Knopfdruck reinigen. Außerdem es ist nachhaltiger auf ihnen zu schreiben als auf Papier.
Sie sprachen eingangs auch von Herausforderungen. Welche sind das?
Wuttke: VR ist nicht für jeden etwas. Das muss man fairerweise dazu sagen. Einigen Studierenden wird schwindelig oder sie kriegen Kopfschmerzen. Es besteht zwar die Möglichkeit, an den PC zu wechseln, aber dann sind die Vorteile der VR nicht mehr gegeben. Das ist etwas, das die Technologie sicher noch lösen wird. Die Geräte werden von Jahr zu Jahr besser. Abgesehen davon ist die größte Herausforderung die soziale Komponente, die wegfällt. Wenn man in einem Raum ist, sich austauscht und in den Pausen über den Lernstoff redet. Das geht natürlich rein theoretisch auch online, aber dann braucht es meistens die Pause, um durchzuatmen.
Ist es denkbar, dass VR künftig normale Vorlesungen ergänzen wird?
Wuttke: Ich glaube schon. Allerdings haben wir die klassische VR benutzt. Das bedeutet: Wir hatten ein Headset auf und kriegen von unserer realen Umgebung nichts mit. Es gibt noch weitere Konzepte wie die Mixed Reality (MR), bei der man die Realität um sich herum sieht, aber über eine Smartglass noch zusätzliche Informationen eingeblendet bekommt. Wenn ich jetzt eine Vorhersage treffen müsste, würde ich sagen, dass diese Technologien mittel- bis langfristig auch in Vorlesungen mit aufgenommen werden.
Hatten Sie persönlich in Bezug auf VR einen Wow-Effekt?
Wuttke: Tatsächlich ja. Ich war mal auf einem Workshop über VR mit internationalen Forschern, die sich zu diesem Zeitpunkt an unterschiedlichen Orten aufgehalten haben. Einer in Texas, einer in Wisconsin und einer in Frankfurt. Wir haben uns in der Pause virtuell getroffen, saßen auf einer Halbinsel bei Sonnenuntergang in gemütlichen Sesseln, und haben uns unterhalten. Jeder hatte einen Avatar gewählt, der ihm sehr ähnlich sah. Für ein paar Minuten war das so, als würden wir in echt zusammensitzen. Alles war so real, dass sich das Bild bei mir richtig eingebrannt hat und ich noch genau weiß, worüber wir gesprochen haben. Das ist auch eine Sache bei VR, dass diese räumliche Umgebung, die eigentlich keinen Ausschlag geben sollte, ob wir uns Dinge merken oder nicht, es auf einmal doch tut.