Die Uni auf dem Bildungscampus nimmt die gesamte Region Heilbronn-Franken in den Blick. Geschäftsführer Gottschald verfolgt die Idee einer “Kompetenzregion”, in der Familienunternehmen die zentrale Rolle spielen.
Von Christian Gleichauf, Foto: Meli Dikta
Wollte man das, was die Heilbronn-Franken zu bieten hat – die Kultur, die Weltmarktführer und die wirtschaftlichen Verbindungen – in der Wüste hochziehen, dann würde man wohl auch mit allem Geld der Welt scheitern. Davon ist der Geschäftsführer der TUM Campus Heilbronn gGmbH, Daniel Gottschald, überzeugt. “Eine Clusterbildung zum Beispiel kann man nicht künstlich schaffen”, sagt Gottschald. Die TU München wolle deshalb dazu beitragen, dass die Region Heilbronn-Franken ihre Stärken erkennt und ausbaut.
Das Verhältnis muss noch wachsen
Seit dem vergangenen Jahr ist Gottschald in Heilbronn Geschäftsführer neben dem Campusdekan Helmut Krcmar. Corona verhinderte manches Treffen, doch einen Eindruck von der Region hat er schon. Eine ihrer großen Stärken sei, dass es nicht nur ein einziges großes Unternehmen gebe, das alles beherrsche, sondern sehr viele erfolgreiche Unternehmen. “Es gibt hier eine Stabilität in der Breite, Tradition und Glaubwürdigkeit.«
Was Gottschald vermisst, ist das gewachsene Verhältnis zwischen Universität und Wirtschaft, wie er es beispielsweise aus München kennt. “Wenn ich dort mit einer Transferinitiative auf ein Unternehmen zugehe, dann wissen die damit umzugehen.” Die Offenheit sei groß, die Abläufe eingespielt. Hier müsse man “Klinken putzen”, wie er sagt, und den Unternehmen noch mehr erklären, dass am Ende beide Seiten profitieren.
Familienunternehmen sind zum Beispiel “ausreichend konservativ”
Der Mittelstand soll künftig zum Markenzeichen der Region werden – mithilfe der TU München, die darauf ihren Fokus legt. “Das Silicon Valley ist bekannt für seine Technologieorientierung, Israel für seine Start-ups, und wir in Heilbronn-Franken müssen bekannt sein für die Familienunternehmen.” Diese hätten ganz besondere Kompetenzen, etwa eine ausgeprägte Resilienz, also die Fähigkeit, sich in Krisen über Wasser zu halten.
Dazu seien sie “ausreichend konservativ” im Management, um nicht jeden Trend mitzumachen, und gleichzeitig doch hochinnovativ. Wer diese Unternehmen verstehen wolle, der solle wissen, dass er hierherkommen muss. “Eine verbindliche Klammer haben wir vielleicht als Kompetenzregion”, hofft Gottschald. Wie das Ganze dann genannt werde, stehe auf einem anderen Blatt. Da heißt es dann wohl kreativ werden. “Zu The Länd würde auch The Mittelständ passen”, flachst der 41-Jährige.
Auch Bierbrauer und Winzer haben manches gemein
Um TUM und Unternehmen zusammenzubringen, gibt es bereits mehrere Formate wie den TUM-Talk oder TUM Connect. Vernetzung könne aber auf weiteren Wegen erfolgen.
Ein Beispiel: Bierbrauer aus Irland, die erfolgreiche Digitalisierungsstrategien verfolgen, sollen demnächst mit Weinbauern aus dem Raum Heilbronn zusammengebracht werden. Durch die Kontakte könnten beide Seiten unkompliziert profitieren. Auch das ermögliche die Digitalisierung, die auf dem Campus Heilbronn ebenfalls eine zentrale Rolle spielt.
Virtuelle Verbindungen in die reale Welt
Gottschald hat auch weitere Ideen in dieser Richtung, etwa eine Art Treffpunkt auf dem Campus, an dem man direkt virtuell Kontakt beispielsweise mit einem Ort im Silicon Valley habe. Oder Studenten träten beim Rudern auf dem Neckar virtuell gegen Studenten in Oxford an.
So verbinde sich das “Metaversum” mit der physischen Welt. “Denn wir wollen ja in die Region und in die Gesellschaft hineinwirken”, sagt Gottschald. So wie der Innovationspark Künstliche Intelligenz (KI). “Wir müssen Verbindungen schaffen, dann entsteht automatisch Neues.«
Hintergrund: In der Welt unterwegs
Mit Blick auf die jüngste Diskussion um die Wirtschaftsförderung durch die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken (WHF) erklärt Daniel Gottschald: “Lokale Befindlichkeiten sind etwas extrem Gutes.” Die besondere Mentalität sei eine Stärke des deutschen Mittelstands und auch einzelner Regionen. Das gebe es nicht überall auf der Welt. Gottschald kann das beurteilen. Er hatte vor seiner Tätigkeit in Heilbronn für die TUM International GmbH mit Clusterbildung in aller Welt zu tun. Unter anderem war er an dem Projekt Próspera in Honduras beteiligt. Dort sollte eine autonome Sonderwirtschaftszone aufgebaut werden. Die TUM war beteiligt, stieg nach Kritik aber wieder aus.
Für Gottschald ist nach solchen Erfahrungen aber klar, wie wertvoll gewachsene Strukturen sind. Etwas zwiespältig blickt er auf die finanzielle Ausstattung der Wirtschaftsförderung in der Region Heilbronn-Franken. Gottschald war am Aufbau des Regionalmanagements Nordhessen beteiligt. Fünf Landkreise und der Stadtkreis Kassel mussten dort unter einen Hut gebracht werden. Das Jahresbudget dafür lag bei 20 Millionen Euro. “Das hätte dort ohne diese Finanzkraft auch nicht funktioniert”, sagt Gottschald. Der WHF stehen deutlich weniger als eine Million Euro pro Jahr zur Verfügung.