Spinnen und Zebras anstatt Löwen und Einhörner

Neu denken, größer denken – mit diesem Mindset schicken Susan Barth und Oliver Hanisch die Heilbronner Startups in eine verantwortungsvolle Zukunft.

Von Brigitte Wenger; Fotos: Meli Dikta, STARTKLAR & Campus Founders

Es war einmal ein Ort, da redeten alle von Einhörnern. Das edelste aller Fabelwesen. Das Seltene und Gute in der unglaublichen Form des Pferdes mit einem Horn wie ein Zauberstab. Unicorns. Startups, die so richtig einschlagen. Doch: »Nach Heilbronn passt die Zebramentalität besser«, sagt Oliver Hanisch. Das Zebra, das Herdentier, nicht schwarz, nicht weiß, das Individuum, das seine Stärke aus der Gruppe zieht, erfolgreich durch Zusammenarbeit. Zebra statt Einhorn. »Aber wenn irgendwann ein Zebra mit einem Horn auftaucht, haben wir auch kein Problem damit.«

Oliver Hanisch ist in der Welt der Startups zu Hause. Hat selbst mehrfach gegründet, engagiert sich als Business Angel und spricht daher die Sprache der Startups. Er verwendet viele englische Begriffe. Das liegt sicherlich an seinem Berufsfeld – dem Entrepreneurship, der internationalen Startup-Welt – vor allem liegt es aber auch daran, dass er fast ein Drittel seines Lebens im Silicon Valley, Kalifornien, verbracht hat.

CEO der Campus Founders: Oliver Hanisch

»Ich bin nicht aus dem Silicon Valley, bin nicht die klassische Startup-Frau«, sagt Susan Barth. Natürlich kann auch sie Startup-Talk, an der Hochschule Heilbronn versucht sie aber, deutsche Begriffe zu verwenden. »Wir haben ein regional verankertes Publikum und wollen diesem Umstand gerecht werden.«

Susan Barth ist Organisationspsychologin. Auf der Webseite des Gründerzentrums STARTKLAR zitiert sie ein äthiopisches Sprichwort: »Wenn Spinnen vereint weben, können sie einen Löwen fesseln.« Spinnen statt Löwen. Nicht die Logik des Großdenkens, sondern die Ermächtigung der Kleinen führt zum Ziel. Die Probleme der aktuellen Zeit lösen wir besser mit Zusammenarbeit als damit, den Mächtigen noch mehr Macht zu geben. Davon ist Susan Barth überzeugt, so will sie mit ihrem Team nicht weniger als die Welt etwas besser machen.

Susan Barth mit dem Gründerzentrum STARTKLAR der Hochschule Heilbronn und Oliver Hanisch mit dem Innovations- & Startup-Zentrum Campus Founders stehen am Bildungscampus Heilbronn für die Startup-Kultur, die neu und groß denkt. Die gemeinsame Mission im Blick mit unterschiedlichen Schwerpunkten fördern sie junge Gründer*innen auf ihrer unternehmerischen Reise.

Organisationspsychologin und Leiterin des Gründerzentrums STARTKLAR: Susan Barth

Die Campus Founders verstehen sich dabei als Mindset-Schmiede für junges Unternehmertum. Oliver Hanisch ist überzeugt, dass es ein neues, verändertes Mindset zum Unternehmertum hier braucht, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Seiner Erfahrung nach werden Gründerteams auch nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf ein Startup-freundliches Umfeld zurückgreifen können. Neben den Hochschulen gehören da u. a. etablierte Unternehmen, Investoren und insbesondere eine lebendige Startup-Community dazu. Für ihn daher logische Konsequenz, dass sich die Campus Founders für das Startup- & Innovations-Ökosystem in Heilbronn-Franken einsetzen.

Sie agieren dabei nicht nur hochschulübergreifend mit ihren Angeboten, verfolgen insbesondere eine überregionale und internationale Perspektive bei der Betreuung von Startup-Teams. Diese Fit für die erste Investmentrunde zu bekommen, diese Motivation teilt Oliver Hanisch mit seinem Team.

Oliver Hanisch holt nicht Silicon Valley nach Heilbronn. Er denkt Heilbronn neu. Größer. Vernetzter. Nicht in Richtung Unicorn, sondern in Richtung Zebra: collaboration statt competition. »Unsere Stärken sind: Produkte, die funktionieren, Mitarbeiter, die loyal sind, Arbeitgeberinnen, die zu ihren Mitarbeitern stehen.« Wenn innovative, groß denkende Startups mit den führenden, mittelständischen Unternehmen, die oftmals globale Vertriebsnetze haben, zusammenarbeiten, dann erschaffen wir den neuen Mittelstand. Oliver Hanisch weiß was es braucht, um sich auf Augenhöhe zu treffen und Kollaboration zu leben – ein neues Mindset. Um dieses Ziel zu erreichen, fördern die Campus Founders das Startup- & Innovations-Ökosystem in Heilbronn-Franken.

Bereits im Silicon Valley hat Oliver Hanisch als Brückenbauer zwischen Deutschland und den USA gearbeitet. Als German Accelerator hat er geholfen, das Mindset von deutschen Start-up-Teams auf globales Niveau zu heben: Gründer-Teams aus Deutschland sind meist sehr auf die Technik & die Produktentwicklung fokussiert statt marketing- & vertriebsorientiert zu denken, sollten risikobereiter sein. Da muss eine neue Denke her, eine Silicon Valley-inspirierte Denke: »Erzähl deine Story, sei schnell, scheitere und werde besser. In Deutschland wird alles abgewogen, um sicher zu sein.« Doch Sicherheit – das hat Oliver Hanisch gelernt – »gibt es nicht, man verliert einfach nur viel Zeit.«

Eine Work-Session bei den Campus Founders

Die Rückkehr nach Deutschland hatte Oliver Hanisch eigentlich nicht geplant. Doch eine Reise nach Heilbronn und er war inspiriert. Der Bildungscampus Heilbronn mit seinem einzigartigem Ökosystem aus Wissenschaft, Bildung und Forschung bietet die idealen Voraussetzungen, hier seine Erfahrungen einzubringen und Brücken zu internationalen Startup-Ökosystemen aufzubauen. Heilbronn fühlt sich für Oliver Hanisch an wie Silicon Valley, als er 2005 da angekommen ist: »Ich spüre hier in Heilbronn eine Dynamik, die ich spannend finde, hier ist man noch am Anfang. Hier möchte ich meine Erfahrungen einbringen, das positive Mindset aus Silicon Valley mit den Stärken und der Mentalität der Region verbinden.«

In den 80er-Jahren, als Teenager Susan Barth mit ihren Eltern nach Heilbronn zog, war dies für sie die »hässlichste Stadt auf dem Planeten« – sie lacht, während sie das sagt – geprägt durch unternehmerischen Reichtum, eine Industriellenstadt. Wer konnte, zog weg. Heute sieht Susan Barth das anders: »Hier kann ich etwas bewegen, hier macht mein Handeln Sinn.« Susan Barth spürt dieselbe Dynamik und sogar noch etwas mehr: »Heilbronn hat Potenzial, da ist irgendwo ein verstecktes Juwel, das wir noch entdecken müssen. Was es ist, wissen wir noch nicht. 

Natürlich geht es bei STARTKLAR primär darum, Studierende in die Welt der Startups einzuführen. Mit Expertinnen und Innovatoren, mit Kundinnen und Lieferanten zu verknüpfen. Den Transfer von innovativer Forschung in erfolgreiche Anwendungen für Wirtschaft und Gesellschaft zu begleiten. Doch Susan Barth bringt etwas mit, was andere nicht haben: die Psychologie. »Je mehr man Menschen befähigt, aus sich selbst heraus Kompetenzen zu entwickeln, desto eher können diese ihren Platz in Gesellschaft und Wirtschaft einnehmen, den sie und wir alle für eine erfolgreiche Zukunft brauchen.« Dabei holt Susan Barth noch aus einem anderen Bereich Inspiration: aus der Kreativwirtschaft. »Kreative haben einen offenen Geist, sind ›dem Anderen‹ gegenüber sehr wertschätzend – durch den kreativen Zugang erhält man einen wachen Blick auf die Dinge.« Seit 2016 ist sie Fellow, Jurorin und Coach des Kompetenzzentrums der Kreativ- und Kulturwirtschaft des Bundes und begleitet jedes Jahr die ausgezeichneten Unternehmen der »Kreativ- und Kulturpiloten Deutschlands« der Bundesregierung sowie des baden-württembergischen Kreativpreises »Ideenstark«.

Die Region braucht Startups, um die Unternehmen mit einem neuen Spirit zu versorgen. Davon ist auch Susan Barth überzeugt und sieht darin einen wichtigen Auftrag der Hochschule Heilbronn. Diese Startups müssen aber zum neuen Mindset auch ihre soziale und ökologische Verantwortung frühzeitig miteinbeziehen. »Was für eine Wirkung hat unser unternehmerisches Handeln? Auf wen wirkt es? Welchen Effekt hat unser Unternehmen auf die Welt?«, es sind große Fragen, die Susan Barth anstößt.

Susan Barth in ihrem Element mit Teilnehmerinnen einer STARTKLAR-Veranstaltung

Nur mit »größer, weiter, schneller« funktioniert das nicht. Natürlich darf man als junger Mensch viel Arbeit von sich verlangen. Aber: »Man kann kein Unternehmen führen, wenn man sich selbst nicht führen kann.« Der Tipp der Psychologin: Zeiten der Reflexion einplanen, sich zwischendurch rausnehmen und mit Distanz auf das Ganze schauen. Bin ich noch auf dem Weg? Ist das noch meins? Und braucht das die Welt wirklich?

Jede und jeder kann lernen, unternehmerisch zu handeln – das wollen Susan Barth und Oliver Hanisch, auch in gemeinsamen Formaten, den Studierenden am Bildungscampus Heilbronn mit auf den Weg geben. Ob sie größer denken oder neu denken, das ist egal. Oliver Hanisch bringt es auf den Punkt: »Kein Startup ist mehr das, womit es ursprünglich einmal begonnen hat. Daher: Einfach machen und schauen wo‘s hingeht.« In Zeiten der zunehmenden Unsicherheit und steigenden Komplexität eine so oder so sehr wichtige Kompetenz, meint Susan Barth: »Das tut uns allen gut.«