Eine gute Ausbildung soll sich doppelt lohnen – und zwar für alle: Mit dieser Idee haben Constantin Schreiber und seine zwei Mitstreiter das Unternehmen Blair gegründet. Eine besondere Erfolgsgeschichte.
Von Chriastian Gleichauf Foto: Ralf Seidel (beide Heilbronner Stimme
Dass ein 25-Jähriger über einen Geldtopf mit 100 Millionen Dollar verfügen kann, das kommt nicht allzu oft vor. Constantin Schreiber hat das geschafft. Er wurde mit seinen zwei Mitstreitern vom »Forbes«-Magazin auf die europäische »30 under 30«-Liste gesetzt, gilt in den USA als Shooting Star am Gründerhimmel. Zahlreiche Medien berichteten schon über die drei. Und es soll erst der Anfang sein. Ihr Startup Blair könnte die Studiumsfinanzierung in den USA revolutionieren. Ihre Geschäftsidee ist bislang jedenfalls ein durchschlagender Erfolg. Der Weg dorthin ist nicht minder beeindruckend.
Er verkörpert die Idee, die hinter der Schule 42 steht
Ein bisschen Regen macht Constantin Schreiber nichts aus. Schönere Bilder gibt es von ihm aus Kalifornien. Doch auf seine Heimat ist der 25-Jährige ebenso stolz. Schwaigern wäre ein passender Hintergrund gewesen, dort ist er aufgewachsen. Die Heilbronner Ecole 42 passt, weil er das Programm an der kalifornischen Filiale der 42 selbst durchlaufen hat, und weil er der Heilbronner Dependance zuletzt mit Rat zur Seite stand. Einer, der die Idee dahinter wie kaum ein zweiter verkörpert. Constantin Schreiber hofft, dass sich hier, rund um die 42 und um den Bildungscampus in der »Startup-City« Heilbronn, auch etwas von der Risikofreude entwickelt, die er in den USA kennengelernt hat. »Wenn es erst einmal eine Generation von erfolgreichen Gründern hier gibt, dann ist Geld im Kreislauf, dann kann sich etwas bewegen.«
Geld gab es in Kalifornien nach einem Treffen im Café
Noch ist Heilbronn nicht das Pflaster, auf dem man jemandem im Café eine Idee präsentiert und dann ohne Bedingungen Geld zur Verfügung gestellt bekommt. So ähnlich erging es dem Trio im Silicon Valley. Mit dem Ansatz, Zahlungen an Studenten mit der Bedingung zu verknüpfen, dass sie dieses Geld in Abhängigkeit vom späteren beruflichen Erfolg zurückbezahlen, kamen sie zur rechten Zeit. »Ganz neu war die Idee der sogenannten Income Share Agreements nicht, vor uns hat sie schon der Nobelpreisträger Milton Friedman gehabt«, erzählt Schreiber. Doch erst geänderte Rahmenbedingungen in den USA ermöglichten eine Umsetzung.
Verschuldet ins Berufsleben ist in den USA ein drängendes Problem
»Auch die öffentliche Meinung bei dem Thema verändert sich«, sagt Schreiber. Denn hochverschuldet verlassen viele Amerikaner seit Jahren ihr College. »Student debt crisis« nennt sich dort das Phänomen. Blair gibt darauf eine flexible Antwort. Wer keinen Job bekommt oder sich nur knapp über Wasser halten kann, dem wird die Rückzahlung gestundet oder gar erlassen. Wer aber ein überdurchschnittliches Gehalt erzielt, zahlt im Idealfall sogar deutlich mehr als die anfangs ausgezahlte Summe zurück. Die App läuft, das Geschäftsmodell hat sich bereits verändert. Nachdem Blair anfangs die kreditähnlichen Unterstützungen nur direkt an Studenten vermittelte, arbeitet das Unternehmen inzwischen auch direkt mit Bildungseinrichtungen zusammen. Diese geben über Blair dann das Geld an ihre Schüler oder Studenten und haben somit großes Interesse daran, diese fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Blair überwacht dann zudem auch die Rückzahlung.
Im Silicon Valley haben sie sich einen Namen gemacht
Mit der Idee überzeugte das Trio – Constantin Schreiber, Mike Mahlkow und David Nordhausen – 2019 bereits das Gründungszentrum Y-Combinator im Silicon Valley. Dort anzukommen gleicht einer höheren Weihe. Airbnb, Dropbox, Coinbase oder Reddit starteten mit Hilfe dieses sogenannten Accelerators durch.
100 Millionen Dollar
Anschließend fand sich sogar ein institutioneller Investor, der 100 Millionen Dollar zur Verfügung stellt. Eine unglaubliche Summe. Und so ist das Unternehmen mit seinen gerade einmal zwölf Mitarbeitern auch schon viele Millionen Euro wert, hat bei einer Finanzierungsrunde gerade wieder mehr als sechs Millionen Dollar eingesammelt. Natürlich wird jetzt eingestellt. Neben dem Vermittlungsservice bietet Blair auch den Einkommenscheck an, der für das Geschäftsmodell so wichtig ist. Denn schließlich sollen sich die Geldgeber nicht auf die Angaben der Klienten verlassen müssen.
Ein bisschen was bleibt Geschäftsgeheimnis
Wie die Einkünfte kontrolliert werden? Das ist einer der Punkte, über die Constantin Schreiber nicht zu viele Worte verlieren will. Geschäftsgeheimnis. Die Steuererklärungen müssten natürlich vorgelegt werden. »Darüber hinaus gibt es ein paar Mechanismen, die automatisiert Veränderungen wahrnehmen. Etwa, wenn ein Kreditnehmer auf LinkedIn seine Job-Beschreibung ändert.«
Beeindruckender Werdegang
Dies ist Constantin Schreibers Metier. Er ist der Programmierer im Team, der Mann mit dem technischen Wissen. Wie er es perfektionierte, dürfte sich in den Ohren vieler junger Leute wie ein Märchen anhören. An der privaten Code-Hochschule in Berlin hat er seine Programmierkenntnisse vertieft, dort bekam er den Ausflug zur Schule 42 in Fremont, Kalifornien gesponsert. Nur ein Bruchteil der Bewerber hat die Chance, dort in projektbezogener Arbeit das Handwerkszeug des 21. Jahrhunderts zu erwerben. Constantin Schreiber gehört dazu.
In der Schule war er nicht nur erfolgreich
Vorgezeichnet schien dieser außergewöhnliche Weg des Constantin Schreiber allerdings keineswegs. Sein Vater Helmut Schreiber erinnert sich, wie der Mathelehrer über seinen Sohn sagte: »Nehmen Sie ihn raus, er blickt Mathe nicht.« Auch Latein war nicht die große Liebe. Ab der Pubertät sei er eben nur noch seinen Interessen gefolgt, erinnert sich Constantin Schreiber. »Aber ich war kein schlechter Schüler. Und ich hatte immer die Unterstützung meiner Eltern.« An der Akademie für Kommunikation machte er sein Abi. Dort erkannte ein Lehrer auch die besonderen Begabungen und gab Tipps für die weiteren Stationen. An der privaten EBS-Universität für Wirtschaft und Recht in Hessen studierte Constantin Schreiber Management, engagierte sich im Gründerforum und lernte mit David Nordhausen einen späteren Partner kennen. Dann ging es weiter nach Berlin.
»Und dann haben sie mich gefragt«
Nordhausen und Mahlkow hatten gerade ihre erste Erfahrung mit einem Startup gemacht. Beim zweiten Versuch wollten sie es besser machen und in Richtung Technik gehen. »Sie hatten wohl immer zueinander gesagt, sie brauchen jemanden wie Costa, also wie mich. Ja, und irgendwann haben sie mich dann auch gefragt.« Wegen der Einreisebeschränkungen ist das junge Unternehmen in der Corona-Krise nach Berlin umgezogen. Dort ist seit dem Brexit der europäische Hotspot für Gründer. Hier soll sich auch Blair weiterentwickeln, obwohl das Geschäft in den USA läuft.
Abschied nicht leicht gefallen
Der Abschied von der Region Heilbronn vor drei Jahren scheint vorerst ziemlich endgültig zu sein. Damals musste er auch seinem Vater sagen, dass er geht. »Das fiel mir schon schwer.« Helmut Schreiber ist seit 1970 Chef des Neckarsulmer Bürofachmarkts Mollenkopf. Als frischgebackener Hochschulabsolvent hat Constantin Schreiber 2017 für einige Monate dort mitgearbeitet. »Es ist nicht selbstverständlich, die Chance zu haben, in ein bestehendes, gut laufendes Unternehmen einzusteigen.« Aber der 25-Jährige ist sich auch im Klaren darüber: »Wenn ich den Schritt nicht gewagt hätte, dann hätte ich es irgendwann bereut.«