Die Heilbronner Experimenta und das Deutsche Raumfahrtzentrum machen ein Live-Gespräch mit Matthias Maurer in 400 Kilometer Höhe möglich. Am Anfang gab es fast eine Kollision mit einer Wolke aus Weltraumschrott. Jetzt stehen viele Experimente in der Schwerelosigkeit an.
Von Carsten Friese, Foto: Andreas Veigel
Einem Astronauten in 400 Kilometer Höhe in der Raumstation ISS mal kurz per Video-Schaltung ein paar knackige Fragen stellen: Für Schüler aus Neuenstadt ist das am Mittwoch wahr geworden. Auf Einladung der Heilbronner Experimenta und des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) konnten 53 Schüler und drei Lehrer über die große Leinwand im Science Dome den deutschen Astronauten Matthias Maurer live in der Schwerelosigkeit erleben. Hintergrund: Zwei Klassen des Mörike-Gymnasiums und die Raumfahrt-AG der Schule hatten am DLR-Wettbewerb “Beschützer der Erde” teilgenommen.
Mini-Rakete im Rucksack hilft, falls man im Weltall verloren geht
In grünem T-Shirt in der ISS schwebend, stellte Maurer mal kurz den Wissens-Sprachroboter “Simon” neben sich vor und kam in dem rund 20-minütigen Gespräch sympathisch rüber. Gute Fragen hatten die Schüler vorbereitet. Dass er gleich mit zwei Seilen bei Außeneinsätzen an der Raumstation gesichert sei, erklärte der 51-Jährige – weil er sonst im Weltall “verloren ginge”. Als Nothilfe ist immer ein kleiner Raketensatz im Rucksack, der für 30 Sekunden Treibstoff hat und den Weg zurück doch noch ermöglichen kann. Was da oben passiert, wenn jemand ernsthaft krank wird? In der dreijährigen Ausbildung auf den All-Einsatz hat Maurer auch gelernt, wie man Spritzen setzt, eine Wunde näht oder einen Zahn zieht. Aber: Bei einer nötigen Blinddarm-OP müsse man mit Medikamenten behandeln und rasch nach Hause fliegen. “Das ist in ein paar Stunden möglich.”
Maurer berichtete, wie sie am Anfang seiner Mission “Cosmic Kiss” plötzlich Gefahr liefen, mit einer Wolke aus Weltraumschrott zu kollidieren. Alle vier Astronauten sicherten sich in der Raumkapsel – um im Falle einer starken Beschädigung der Raumstation wegfliegen zu können. Zum Glück passierte nichts.
Sauerstoff wird hoch oben auch selbst produziert
Sauerstoff gibt es an Bord in Flaschen, Tanks oder er wird durch spezielle Anlagen durch Aufspalten aus Wasser erzeugt. Beim Blick vom Raumstation-Fenster auf den blauen Planeten hat Maurer auch nach einigen Monaten noch “Gänsehaut”. Der Kontrast zu dem dunkelsten Schwarz außenrum sei faszinierend.
Aber: Von oben sieht er auch klare Zeichen des Klimawandels: Seen, die viel kleiner sind als in Karten, viele Flammen in Urwäldern im Amazonasgebiet. “Die Menschen fressen sich in die Lunge der Erde rein”, kritisierte er. In Deutschland kann er von oben “offene Wunden” in großen Braunkohlerevieren erkennen. Mit einem “bleibt interessiert und neugierig” verabschiedete sich der Astronaut winkend vom Publikum im Science Dome.
Seit November ist der Saarländer auf der ISS, bis Ende April soll der Einsatz dauern. Prof. Reinhold Ewald, 1997 als Astronaut auf der Raumstation MIR, war ebenfalls zu dem besonderen Anlass in die Experimenta gekommen. Er zeigte viele Bilder vom Alltag im All und erzählte, dass die neue Raumstation so groß wie ein Fußballfeld sei und in drei Jahren erbaut wurde. Viele Experimente in Biologie, Medizin, Physik oder Materialforschung sollen die Astronauten in der Schwerelosigkeit machen. Zum Beispiel zur Kristallisation bestimmter Betonmischungen oder zur elektronischen Muskelstimulation mit Hilfe eines speziellen Anzugs.
Schüler Kijan (11) aus der Raumfahrt-AG ist von den endlosen Weiten des Weltalls begeistert. Er fand den Auftritt “cool” und Matthias Maurer “ganz nett”. Astronaut werden? “Warum nicht?” Für ihn wie auch für Experimenta-Chef Wolfgang Hansch war der Live-Kontakt zur Raumstation ISS “ein außergewöhnliches Ereignis”.