Die erste Probefahrt mit autonom fahrenden Minibussen von der Experimenta zum Heilbronner Hauptbahnhof verlief erfolgsversprechend. Anfang Juni sollen zwei Shuttlebusse, die von der Hochschule Heilbronn entwickelt werden, zu regelmäßigen Fahrten starten.
Von Joachim Friedl (Heilbronner Stimme), Foto: DSS
Wie wünschenswert ist es, dass wir nicht mehr selbst fahren, sondern uns von einem Fahrzeug fahren und autonom von A nach B bringen zu lassen? Dieser Frage gehen derzeit Professor Raoul Zöllner, Prorektor für Forschung, Transfer, Innovation an der Hochschule Heilbronn, und seine Mitarbeiter nach. Ihr anspruchsvolles Ziel ist es, bis zur Jahrestagung des europäischen Verbands der Science Center und Wissenschaftsmuseen (Ecsite) vom 2. bis 4. Juni zwei autonom fahrende Kleinbusse mit sechs Sitzplätzen auf die Straßen von Heilbronn zu bekommen.
Forschungspartner ist neben der Hochschule Heilbronn das Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe (FZI). Angestoßen wurde das Projekt 2021 von der Dieter Schwarz Stiftung, die Projektverantwortung trägt die Schwarz Mobility Solutions GmbH, die auch Betreiber dieser mobilen Zukunftsvision ist.
Staunende Blicke verfolgen die erste Testfahrt
“Die erste Probefahrt Ende des alten Jahren von der Experimenta durch die Bahnhofstraße bis zum Busterminal und zurück verlief erfolgversprechend”, freut sich Raoul Zöllner über den gelungenen Auftakt. Beobachtet worden war die Fahrt jedoch von ungläubigen Blicken staunender Passanten, genervten Bus- und Taxifahrern sowie ungeduldigen Autofahrern. Kein Wunder, fuhr der Shuttlebus mit gerade einmal Tempo 5 durch die Bahnhofstraße. Beim Start im Sommer sollen die beiden Minibusse 20 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Das sind 5,55556 Meter pro Sekunde.
Fülle an wichtigen Daten gesammelt
Grundlage dieser Premierenfahrt war die in der großen Simulationswerkstatt an der Hochschule nachgebaute Bahnhofsvorstadt. “Hier lernte das Gehirn der Minibusse den Streckenverlauf, prägte sich Spurwechsel ein, merkte sich Sicherheitszonen wie Ampeln und Stadtbahnkreuzungen und nahm Tempobegrenzungen in sich auf”, schildert der Hochschulprofessor die Lernphase. Auf der Strecke durch die Bahnhofstraße seien dann eine Fülle an Algorithmen gesammelt worden, die nun mit den Laborwerten abgeglichen und von den Mitarbeitern modifiziert würden. Ende Januar, Anfang Februar soll die nächste Probefahrt stattfinden. Im März, April will man dann fast täglich unterwegs sein. Dann liegen auch sämtliche Tüv-Gutachten vor.
Online-Handel setzt auf selbstfahrende Fahrzeuge
Dass die Testphase mit dem Schwerpunkt Sicherheit im Vergleich zu den USA in Deutschland vorsichtig und zeitaufwendig vorangetrieben wird, erklärt Zöllner mit kulturellen Unterschieden: “Wir agieren bedachter. Das ist gut so.” Er sagt dies auch vor dem Hintergrund, dass in weiteren Ausbaustufen autonome Fahrten zum Bildungscampus (2023) und in die Heilbronner Innenstadt (2024) gehen sollen. Im Blick haben die Hochschul-Ingenieure dabei auch den Online-Handel. “Es geht in diese Richtung. Wir führen Gespräche mit großen Konzernen”, lässt sich Raoul Zöllner nur ungern in die Karten schauen und hält sich bedeckt.
Die Politik schaut nach Heilbronn
Strahlende Augen bekommt Professor Reinhold R. Geilsdörfer, kommt die Rede auf das autonome Fahren: “Dieses Forschungsprojekt passt gut in unser Portfolio und stellt zudem eine große Bereicherung für den Innovationspark Künstliche Intelligenz (KI) Baden-Württemberg, der in Heilbronn aufgebaut wird, dar”, würdigt der Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung das Mobilitätsprojekt als wichtiges Zukunftsthema. Dieser Erfindergeist sorge dafür, dass Heilbronn als Forschungs- und Hochschulstadt national bekannt werde und sein Image bei jungen Menschen deutlich steigern könne. Für Professor Zöllner kommt als wichtiges Element hinzu, dass dank dieses Projekts das Land und die Politik auf Heilbronn schaue: “Diese Art von Mobilität wird einmal unverzichtbar sein.”
Im Mittelpunkt
Nach Kopenhagen, Genf, Porto und Graz findet die Jahrestagung des europäischen Verbands der Science Center und Wissenschaftsmuseen (Ecsite) vom 2. bis 4. Juni in Heilbronn statt. Dann wird auch Premiere der beiden autonom fahrenden Minibusse sein. Die Tagung gilt als eine der größten Konferenzen der professionellen Wissenschaftskommunikation in Europa. Zum Ecsite-Netzwerk gehören mehr als 350 Science Center, Museen und wissenschaftliche Kultureinrichtungen. Ein wichtiges Anliegen der Ecsite ist es unter anderem, Begeisterung für Wissenschaft zu schaffen.
