Mit Schere und Sensoren gegen gefährliche Krankheiten

Lars Steinmetz, Professor für Genetik an der Stanford University, auf dem Podium der Heilbronner Bürger-Uni

Von Frank Lutz (TUM Campus Heilbronn), Foto: Lina Bihr

Wie wäre es, wenn wir gefährliche Veränderungen am Erbgut entdecken könnten, bevor wir krank werden? Wenn wir sie gleich an der Ursache, den Genen, heilen könnten? Oder wenn wir sofort erkennen, wenn unsere Blutwerte in einen kritischen Bereich geraten?

Vieles davon ist heute bereits möglich, sagte Professor Lars Steinmetz bei der Heilbronner Bürger-Uni am Bildungscampus. Mit knapp 500 Teilnehmern ist die Veranstaltung hervorragend besucht. Drei Technologien, die Krankheiten verhindern könnten, stellt der Professor für Genetik an der Stanford University bei der Veranstaltung des TUM Campus Heilbronn in Kooperation mit der Heilbronner Stimme und der Dieter Schwarz Stiftung vor: die Genom-Sequenzierung, die Gentherapie und die Biosensorik.

Zunächst geht Steinmetz bei der von Tobias Wieland, Redakteur der Heilbronner Stimme, moderierten Veranstaltung auf die Genom-Sequenzierung ein. Sie ermöglicht es, das menschliche Erbgut, das sogenannte Genom, zu entschlüsseln, um Risikovarianten der Gene zu erkennen. Ein großer Durchbruch: „Damit ist es zum ersten Mal möglich, unsere eigene genetische Struktur zu lesen und zu decodieren“, sagt Steinmetz.

 

So hoch wie der Eiffelturm

Das Genom lässt sich in Kombinationen der vier Buchstaben A, T, G und C darstellen. Auf Papier ausgedruckt würde diese Erbinformation zwei Millionen Seiten füllen. Würde man das Papier aufeinanderstapeln, käme man auf eine Höhe von 330 Metern – also die Höhe des Eiffelturms. „Jede Zelle im menschlichen Körper enthält das komplette Genom“, erklärt Steinmetz.

Das Verblüffende: 99,9 Prozent der Sequenz sind bei allen Menschen gleich, nur 33 Zentimeter der 330 Meter langen Strecke unterscheiden sich. „Doch gerade diese verschiedenen Buchstaben können über Leben und Tod entscheiden“, sagt Steinmetz.

Heute wird die Genom-Sequenzierung etwa bei der Diagnose monogenetischer Krankheiten, in der forensischen Analyse oder in der Krebsmedizin angewandt. Das gesamte menschliche Genom zu sequenzieren, ist inzwischen in fünf Stunden und für weniger als 100 Euro möglich. „Wenn die Technologien künftig für jedermann nutzbar sind, könnten viele Krankheiten verhindert werden“, wagt Steinmetz einen Ausblick. Er schränkte jedoch ein: „Wir verstehen im Moment nur einen sehr kleinen Bruchteil der Genom-Sequenz: Nur circa ein Prozent können wir lesen.“ Der Einsatz Künstlicher Intelligenz könnte die Forschung beschleunigen.

 

Gefährdete Stellen aus der DNA schneiden

Doch was, wenn man gefährliche Veränderungen an den Genen erkannt hat? Hier setzt die zweite Technologie, die sogenannte Genschere, an. Sie ermöglicht es, bestimmte Stellen der DNA auszuschneiden und durch eine gesunde Sequenz zu ersetzen. Steinmetz selbst testet das Verfahren bereits an Mäusen: Ihre Herzzellen werden mit Viren infiziert und anschließend mit der Genschere wieder geheilt. Doch bevor das Verfahren medizinisch beim Menschen angewandt wird, stellten sich ethische Fragen: Wie wirken sich Korrekturen an einem Gen langfristig auf das gesamte Genom aus? Werden die Keimzellen dadurch verändert? Zudem liegt der Preis einer solchen Therapie bisher bei rund einer Million Euro. Auf der anderen Seite benennt Steinmetz ganz klar den Nutzen: Die Genschere ermöglicht es, bisher unheilbare Krankheiten zu behandeln. Sie erlaubt eine gezielte Therapie an der direkten Ursache und damit eine dauerhafte Heilung. „Aber nicht alle Krankheiten sind heilbar“, warnt Steinmetz vor zu großer Euphorie.

Schon vorher eingreifen könnte die dritte Technologie, die Steinmetz vorstellt: die Biosensorik. Dabei werden Sensoren unter die Haut implantiert, die etwa den Glukose- oder Sauerstoffgehalt im Blut oder den Blutdruck messen und die Werte an ein Smartphone senden. So können gefährliche Abweichungen frühzeitig erkannt werden. „Wir werden in Zukunft sicher viele Sensoren an, in und um unseren Körper tragen“, prophezeit Steinmetz. Bereits angewandt werden Biosensoren bei Zellerkankungen, in der Früherkennung von Covid-19 oder in einer Studie an Sportlern: Ihr Schweiß wird laufend analysiert, um eine drohende Dehydrierung frühzeitig erkennen zu können.

Hier gibt es das Video zur Veranstaltung in der gesamten Länge:

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