Mehr Nachhaltigkeit durch eine bessere Finanzierung von Lieferpartnern

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Sustainable Supply Chain Finance verbessert die ökologische und soziale Bilanz von Lieferketten. Das Prinzip „Wer nachhaltiger produziert, profitiert von besseren Zahlungskonditionen“ diskutierten Expertinnen und Experten aus über 30 Ländern auf dem 2. Supply Chain Finance HUB der Technischen Universität München (TUM) am Campus Heilbronn. Der digitale HUB war über innovative Networking-Formate ausgesprochen interaktiv gestaltet.

Environment, Social, Governance: Die ESG-Kriterien haben sich für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Lieferketten durchgesetzt. Auch für die Finanzmärkte sind ökologisch-soziale Kriterien und Compliance-Aspekte der Maßstab für die Bewertung nachhaltiger Investments, deren Bedeutung für Investoren ständig zunimmt. Der Zusammenhang ist wichtig, denn die Instrumente der Lieferkettenfinanzierung lassen sich nutzen, um die Nachhaltigkeit von Lieferanten im Rahmen einer gezielten Sustainable Supply Chain Finance (SSCF) langfristig zu verbessern.

Finanzierungsinstrumente nutzen

Dass Nachhaltigkeit, Working Capital und Risikomanagement in Lieferketten sich gegenseitig befördern können (und nicht etwa im Widerspruch zueinanderstehen), zeigte der 2. Supply Chain Finance HUB der TU München Campus Heilbronn mit dem Schwerpunkt „Increasing Sustainability Performance with Supply Chain Finance“ mit 250 Registrierungen aus über 30 Ländern. „Die internationale Resonanz beweist das enorme globale Interesse an diesem Thema“, erklärt Prof. Dr. David Wuttke, Professor für Supply Chain Management an der TU München Campus Heilbronn und Organisator der Veranstaltung.

Es geht um tausende, für komplexe Liefernetzwerke um Millionen Lieferpartner. Je weiter unten diese in der Lieferkette sind, desto anspruchsvoller ist das Monitoring und desto geringer der direkte Einfluss einkaufender Unternehmen. Dennoch setzt auch das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz zunächst bei den direkten Lieferbeziehungen an, in der Erwartung, dass die Anforderungen weitergegeben werden. „Die Strukturen werden sich wandeln, selbst bei Unternehmen, die vom Gesetz nicht direkt betroffen sind, aber ihre Kunden“, beschreibt Dr. Thomas Volant, Partner bei der weltweit umsatzstärksten Wirtschaftskanzlei Clifford Chance, die anstehenden Veränderungen. Dr. Alexander Regelmann, Global Category Manager beim Chemieunternehmen Clariant, betont den holistischen Ansatz nachhaltiger Beschaffung: „Wenn wir als Unternehmen gegenüber unseren Kunden glaubwürdig sein wollen, müssen wir in die Betrachtung alle Produkte und Warengruppen einbeziehen.“ Als Vorgehensweise empfiehlt Dr. Anna Grobecker, BearingPoint: „Überlegen Sie, wo Ihre wesentlichen Hebel für eine nachhaltigere Lieferkette sind. Darunter sind Quickwins und natürlich Felder, in die Sie mehr investieren müssen.“

Anreize für Lieferanten schaffen

Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat der Einkauf konkret mit Blick auf eine nachhaltige Beschaffung? Ist Lieferkettenfinanzierung über Reverse Factoring nach dem Prinzip „Wer nachhaltiger produziert, wird (durch einen vom einkaufenden Unternehmen beauftragten Finanzdienstleister) früher bezahlt“ ein geeignetes Instrument, um die ökologische und soziale Performance von Lieferanten zu verbessern? Reagieren Lieferanten auf eine solche Incentivierung? Investieren sie das Geld an den richtigen Stellen? Prof. Suvrat Dhanorkar von der Penn State University vergleicht die nachhaltige Transformation mit der Durchsetzung des Qualitätsmanagements in den 1980er/1990er Jahren. „Damals gab es ganz ähnliche Debatten“, erklärt er und zeigt sich trotz der Komplexität der Aufgabe angesichts der Forschungsergebnisse zuversichtlich. Allein die Messbarkeit der Kriterien schätzt nicht nur er als Herausforderung ein.

Kapitalmärkte spielen mit

Für die Finanzmärkte gilt Nachhaltigkeit längst als Gamechanger. „Die Nachfrage nach und das Potenzial von nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten sind riesig“, erklärt Katharina Michael, Managing Director, Co-Head Global Transaction Banking Germany at HypoVereinsbank – UniCredit Bank AG und stellt mit Blick auf die Nachprüfbarkeit aber klar: „Es ist nicht Aufgabe einer Bank die Lieferketten-Kennzahlen von Unternehmen zu beurteilen. Die ESG-Beurteilung obliegt den einkaufenden Unternehmen selbst und/oder Rating-Agenturen.“ Tom Dunn, Vorstand des Londoner Supply Chain Finance-Anbieters Orbian, weiß, wie schwer sich viele Firmen noch mit diesem Thema tun: „Bei Sustainable Supply Chain Finance geht es um eine enge Begleitung der Kunden bei der Transformation“, betont er. Schließlich spielten bei der Lieferkettenfinanzierung auch weiterhin Faktoren wie die Optimierung des eigenen Working Capital eine Rolle.

Kollaboration Einkauf/Treasury

So oder so sind die Anforderungen an die Programme hoch. Nachhaltige Lieferantenfinanzierung braucht neben ausgewiesener Finanzexpertise eine tiefe Kenntnis der eigenen Beschaffungsmärkte, Warengruppen und Lieferanten und infolgedessen sehr individuelle Konzepte. Nur dann passen die Hebel und es kommt zu den gewünschten Effekten. Für Puma hat Frank Wächter, Leiter Treasury, ein solches Konzept entwickelt. Der Sportartikelhersteller fördert seit 2016 über ein ESG-getriebenes Reverse Factoring mit Erfolg die soziale und ökologische Performance seiner Lieferanten. Frank Wächter betont: „Treasury und Einkauf müssen für SSCF eng zusammenarbeiten, um Lieferanten sinnvoll zu clustern und Kennzahlen zu finden, die sowohl aus Sicht von Finance, als auch aus Sicht der Beschaffung und mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens die richtigen sind.“ Was bedeutet: Einkauf, Finance und Treasury müssen ihre Silos verlassen und kollaborieren.

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