Langer Atem und Vision

Interview mit Prof. Dr. Helmut Krcmar, Gründungsdekan des TUM Campus Heilbronn

Interview: Robert Mucha, Fotos: Meli Dikta

Im Interview mit Prof. Helmut Krcmar, dem Gründungsdekan und Beauftragten des Präsidenten für den TUM Campus Heilbronn, sprachen wir mit dem leidenschaftlichen Wissenschaftler und Forscher unter anderem über seine Jobbeschreibung am neuen Standort. Er verriet uns, weshalb der Bildungscampus für ihn eine große Motivation war, hierher zu kommen und warum es sinnvoll wäre, wenn die Stadt den Zuschlag für den baden-württembergischen KI-Innovationspark erhalten würde.

wissensstadt.hn: Lieber Herr Prof. Krcmar, wir führen das Gespräch heute über Video, Sie sitzen aktuell in München. Wie oft pendeln Sie zwischen der bayerischen Landeshauptstadt und der Universitätsstadt Heilbronn hin und her?

Prof. Helmut Krcmar: Aktuell zu strengen Lockdown-Bedingungen erst mal nicht. Bis zum Lockdown im Dezember bin ich Dienstag früh nach Heilbronn gefahren und donnerstags spät zurück nach München. In Heilbronn habe ich eine sogenannte Pendler-Wohnung. 

wissensstadt.hn: Welche Ecken, Perlen aber auch Kanten Heilbronns haben Sie schon kennenlernen und entdecken können, wenn Sie sich hier am Neckar aufhalten? 

Prof. Helmut Krcmar: Was mich echt wurmt, ist, dass der Prediger und die Old Fashioned Bar gezwungenermaßen geschlossen sind. Ich fand es auch schade, dass mein Plan, endlich mehr Kulturangebote des Theaters und der Konzerthäuser wahrzunehmen, kaum umsetzbar war, weil ich immer nur kurz da bin und andererseits, weil häufig geschlossen war. Das hat mir den Heilbronner Sommer ziemlich verdorben. 

wissensstadt.hn: Spaziergänge in den Weinbergen und am Neckar sind hier die klassischen Freizeitaktivitäten derzeit …

Prof. Helmut Krcmar: Ich spaziere tatsächlich gerne am Neckar entlang. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, gab es täglich lange Videokonferenzen bis in den späten Abend hinein, damit ich die vielen Gespräche, die anstehen, hinbekomme. Ich vermisse die Begegnungen mit echten Menschen. Immer nur virtuelle Treffen auf der gleichen flachen Bildschirmfläche sind auf Dauer nicht so spannend. 

wissensstadt.hn: Als langjähriger Wahlmünchner können Sie der gemütlichen Weißbierkultur sicher etwas abgewinnen?! Haben Sie schon die Heilbronner Weingeselligkeit erleben dürfen?

Prof. Helmut Krcmar: Ich habe mal 15 Jahre in Stuttgart gelebt …

wissensstadt.hn: … die Stuttgarter machen nicht so guten Wein wie unsere Heilbronner Winzer!

Prof. Helmut Krcmar: Da ich in Stuttgart die Liebe zum Lemberger entdeckt habe, fühle ich mich in Heilbronn sehr gut aufgehoben. 

wissensstadt.hn: In erster Linie sind Sie aber nicht wegen des guten Weines und weil Heilbronn so schön ist hier. Sie sind seit 2018 Gründungsdekan des TUM Campus Heilbronn. Wie lautet hierfür ihre Jobbeschreibung? 

Prof. Helmut Krcmar: Aufbauen, bekannt machen, die Chance nutzen, die einem hier gegeben wird: nämlich etwas ganz Neues in Deutschland hochzuziehen mit einer engen Verbindung zwischen Management und Informatik. Das sieht man beispielsweise daran, dass neben drei BWL-Studiengängen nun zwei Informatik-Studiengänge hinzukommen. Diese Information Engineering Studiengänge sind entlang der Verbindung vom Sensor zum Geschäftsmodell aufgebaut. Ich habe also die Chance gesehen, unter dem Thema »Digitale Transformation« und zugleich einem Fokus auf Familienunternehmen sowie Gestaltungs- und Design-Orientierung eine neue Form von Business School mit aufzubauen, die diese Themen eng miteinander verzahnt. Das ist eine wirklich schöne Herausforderung. BWL und Informatik zu verbinden ist sehr relevant – aber eben mit dem Blickwinkel beider Disziplinen.

Prof. Helmut Krcmar hat Spaß an der Aufgabe in Heilbronn

wissensstadt.hn: Heilbronn und die Region sind für dieses ambitionierte Vorhaben ein guter Platz?

Prof. Helmut Krcmar: Es ist eine perfekte und spannende wirtschaftliche Region. Hier die »School of Management« mit einem internationalen Programm hinzubringen, macht Sinn. Durch die zwei zukünftigen Studiengänge in Information Engineering sowie dem Ausbau des Themas K.I.-Data-Science ist der Boden bestellt, damit hier ein Schwergewicht an Gestaltung von Organisationen und Systemen entsteht. 

wissensstadt.hn: Haben Sie in ihrer Laufbahn schon mal so einen neuen Campus mit hochgezogen wie jetzt in Heilbronn? Oder ist es auch Premiere für Sie?

Prof. Helmut Krcmar: So einen Campus hochzuziehen, das gibt’s nicht oft in dieser Größenordnung und mit den Ausgestaltungsmöglichkeiten, selbst wenn man – wie ich – schon immer gerne Neues aufgebaut: Ich war der erste Student im Fach Wirtschaftsinformatik oder der Erste, der sich als Fellow der IBM in Los Angeles mit dem Thema Informationsmanagement beschäftigt hat. Ich habe in Hohenheim den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik gegründet, ich habe das Studienangebot Wirtschaftsinformatik an der TU München mit aufgebaut. Bei der Gründung des Stuttgart Institute of Management and Technology, das ist der Vorläufer der heutigen Steinbeis-Aktivitäten dort, habe ich mitgewirkt, ich habe selber Firmen gegründet und berate Exist Seed Gründer. Ich finde es eine lohnende Aufgabe, die Kultur zu schaffen, die man braucht, damit solche Vorhaben nachhaltig weiterleben. Dies mit einem unternehmerischen Ansatz zu machen, bedeutet, sich auf Neues zu freuen und sich zu fragen: Wie können wir das besonders gut hinkriegen? 

wissensstadt.hn: Dann sind Erstbesteigungen etwas, was sie reizt? Wenn Sie oft der Erste waren, der einen bestimmten Schritt gewagt hat und ihn gegangen ist.

Prof. Helmut Krcmar: Ja, das reizt mich, und es macht Spaß. Man weiß auch nach dem ersten, zweiten oder dritten Mal, dass das nicht immer nur ein Spaziergang ist, der in sechs Monaten oder zwei Jahren erledigt ist. Man muss sowohl kurzfristig seine Erfolge liefern, aber man muss auch langfristig denken, wo es hingeht für diese » School for the digital age«, wie man im Neuhochdeutschen sagt. Diese Ausrichtung, eine Management- und Technik-Ausbildung zu liefern für Menschen, die die Digitalisierung verantwortlich gestalten möchten und können, und zwar aus allen Aspekten, nicht nur aus ökonomischen und technischen, ist das, was mich bewegt. Ich habe die Chance gesehen, dass in Heilbronn zu tun und auch weit genug weg von der Zentrale, so dass man etwas Neues auch ausprobieren kann. Für mich sind die Themen Familienunternehmen, digitale Transformation, Gestaltungsorientierung oder Design-Mindset sehr wichtig. Man gestaltet die Digitalisierung nicht etwa, um mehr Rechner zu installieren, sondern um Weltfirmen, Organisationen, Wertschöpfungen – eigentlich unser Leben besser zu gestalten. Die Möglichkeit zu haben, dies hier an einem neuen Standort umzusetzen, mit der umfassenden Unterstützung der TUM und der Dieter Schwarz Stiftung ist eine wirklich spannende Aufgabe.

wissensstadt.hn: Um im Bergsteiger-Bild zu bleiben: Man braucht starke Seilschaften, um zum Gipfel zu kommen. Wie schwer oder leicht ist es ihnen gefallen, eine Seilschaft für den Campus Heilbronn zu finden?

Prof. Helmut Krcmar: Wir sind noch dabei, eine Seilschaft zusammenzustellen. Wir müssen Professor:innen finden und gewinnen, die diese Besteigung machen wollen, da sind wir bereits gut vorangekommen. Wir haben erste mutige Professor:innen gefunden, die wissen, dass sie nicht in eine fest gefügte Organisation eintreten und alles schon fertig gestaltet ist. Diese Menschen wollen das hier mit aufbauen. Und dann ist es natürlich für die Wissenschaftler:innen wichtig, dass die Stiftung bildlich gesprochen sagt: Wir wollen, dass ihr auf den Berg hochkommt, aber welchen Weg ihr nehmt und wo ihr das Lager aufbaut, ist eure Sache. Was mich auch mutig und zufrieden macht, ist, dass wir so viele studentische Bewerbungen bekommen haben. Das ist nicht üblich. Das war eine Leistung der gesamten Mannschaft der TUM, die auf sehr geschickte Art und Weise die Internationalisierung der Studierendenschaft vorangetrieben hat. Wir konnten knapp 60 Prozent nicht deutsche Studierende gewinnen. Ich finde es herausragend, diesen Wert erreicht zu haben. Er erlaubt uns Studierende aus aller Welt zu gewinnen, die wirklich etwas machen wollen. Wenn wir die Campus Founders fragen, ob sie uns ein Charakteristikum der TUM-Studenten:innen liefern können, sagen sie immer: Die wollen etwas bewegen. 

Gleicherweise ist es für mich sehr schön, wenn die Kolleg:innen, die wir hier haben, Anerkennung und Preise für ihre Forschung einheimsen, Themen setzen, mutig sind und neue Wege beschreiten. 

wissensstadt.hn: Sie brauchen bald noch mehr willige Erstbesteiger im Team …

Prof. Helmut Krcmar: Für Information Engineering sind wir soweit, dass wir bald die Gruppe zusammenstellen können. Und wir sehen schon die nächste Ausbaustufe kommen, die sich mit den Themen Datenwissenschaften also Data Science und KI beschäftigen wird.  

wissensstadt.hn: Also kann man sagen, die meisten Teammitglieder sind noch im Basislager, ein paar sind schon voraus, schlagen Haken in die Wand und setzen Leitern über Gletscherspalten und ein paar zukünftige TUM-Professor:innen und -Student:innen sind auf dem Weg ins Basislager?

Prof. Helmut Krcmar: Es gibt gerade eine ganz interessante Diskussion bei uns, auf welchen der Gipfel wir als Erstes, Zweites und Drittes hochwollen. Wir wissen aber, dass wir nicht nur die Achttausender zur Gipfelbesteigung im Portfolio wollen, sondern auch lange Wanderungen anbieten müssen. Wir wollen wirksame Weiterbildungsmöglichkeiten etablieren, und auch in diesem Feld sind wir gut vorangekommen. 

wissensstadt.hn: Bei aller Gipfeleuphorie besteht die Gefahr, dass man die diversen Lager auf dem Weg nach oben nicht sorgfältig aufschlägt.

Prof. Helmut Krcmar: Das Aufschlagen der Lager, wenn wir in dem Bergsteiger-Bild bleiben wollen, ist tatsächlich eine sehr wichtige Arbeit. Sie ordentlich und an den richtigen Stellen zu setzen ist essenziell. Es bringt nichts, wie ein Wilder Richtung Gipfel zu rennen, um dann um festzustellen: Huch, ich schaff’s gar nicht hoch. 

wissensstadt.hn: Diese Zeit und Sorgfalt nehmen Sie sich?

Prof. Helmut Krcmar: Dem österreichischen Komponisten Anton Bruckner wird das Zitat zugeschrieben: »Wer hohe Türme bauen will, muss lange am Fundament verweilen«. Es ist mir wichtig, dass wir uns sorgfältig überlegen, wo wir hinwollen und wie wir uns positionieren, zumal wir uns ja in einem Ökosystem befinden. Wir sind nicht allein am Bildungscampus in Heilbronn und in der Region. Hier gibt es andere Bildungsinstitutionen, die sich ihren Namen vor Ort schon längst verdient haben.

Krcmar hat 2019 im »WirtschaftsWoche«-Ranking der forschungsstärksten BWL-Professoren im deutschsprachigen Raum den 1. Platz erreicht. Kein anderer Wissenschaftler in Deutschland, Österreich und der Schweiz kann im Fach BWL zwischen 2014 und 2018 einen so gehaltvollen Output vorweisen wie der gebürtige Hanauer. Die Unterschriften auf dem Poster stammen von Krcmars Mitarbeiter*innen.

wissensstadt.hn: Welche Angebote können aktuell am TUM Campus Heilbronn von Studierenden wahrgenommen werden?

Prof. Helmut Krcmar: Man kann einen Bachelor in Management and Technology erwerben und einen Master in Management. Wer einen Bachelor-Abschluss hat, kann in einem Young-Professional-Programm den Master in Management and Innovation anstreben. Diese ersten Angebote haben im letzten Jahr über 1.000 Bewerber:innen angezogen, die gerne bei uns am Campus studieren möchten. Wir können also eine Student:innen-Mannschaft zusammenstellen, bei der sich  alle gegenseitig bereichern können. Wir planen, wie gesagt, die Erweiterung um ein Studienangebot in Information Engineering sowohl mit dem Bachelor als auch Masterabschluss.  Und wir planen nochmals ein Young-Professionals-Programm, in dem ein Master in Management und Information Technologies erreicht werden kann – mit dem Fokus auf die Verbindung von Management, Technik und Management des Wandels. Bedeutet, dass die Student:innen lernen, wie sie Veränderungen abseits von reinen Softwareanwendungen oder reinen Zahlenkonstrukten gestalten. Wir können uns in München kaum retten vor Informatik-Bewerbern, das ist inzwischen die größte Fakultät der TU München. Sie hat über 7.000 Student:innen und wir freuen uns darauf, damit auch in Heilbronn an den Start zu gehen.

wissensstadt.hn: Wird in diesem Feld auch mit der École 42 kooperiert?

Prof. Helmut Krcmar: Es ist gut, dass es eine École 42 hier gibt. Ich habe sie schon vor einigen Jahren in Paris besucht: Ein spannendes Konstrukt. Meine Vision wäre, dass sich Information Engineering Studierende der TU München mit denen in der École 42 befreunden. Und wenn wir es schaffen, dass sie irgendwas gemeinsam unternehmen, dann wäre das wunderbar. Es kann ja sein, dass ein École 42-Talent genau die richtige Person ist, die einem TUM-Talent mal auf die Sprünge hilft, wenn es ums Bauen und Programmieren geht und umgekehrt, dass ein École 42-Talent durch unsere Studierenden versteht, warum etwas so ist, wie es gerade erlebt wird. Ich sehe das als eine tolle Ergänzung.

wissensstadt.hn: Reden wir über TUM-Forschung in Heilbronn. Woran forschen Sie und ihr Team gerade?

Prof. Helmut Krcmar: Wir haben Stand März 2021 sieben Professor:innen, und ich will versuchen, sie einzeln zu charakterisieren. Denn Forschung ist das, was Forscher:innen machen und das ist notwendigerweise ein individuelles Geschäft. Also in alphabetischer Reihenfolge: 

Miriam Bird ist Center Direktorin am Global Center for Family Enterprise. Sie fokussiert sich in ihrer Forschung auf Themen wie Unternehmensnachfolge, Innovation und Unternehmensstrategie in Familienunternehmen. Insbesondere interessiert sie sich für den sozialen Kontext, in dem Unternehmen eingebettet sind. Der Kollege Jens Förderer beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Plattformökonomie. Das ist übrigens ein Thema, das uns beide umtreibt, als neue Form, wie man in Ökosystemen Geschäft macht. Neben Miriam Bird sitzt Stefanie Jung, unsere Juristin, die sich neben einem Faible für vergleichendes Gesellschaftsrecht – gerade arbeitet sie sich ins spanische und französische Gesellschaftsrecht ein – liebend gern mit der Frage von Verhandlungen beschäftigt. Wie führt man international erfolgreich Verhandlungen auf juristischer Ebene? In einem ihrer Forschungsprojekte geht es um Lügen in Verhandlungen. Darf man in Vertragsverhandlungen rechtlich Lügen? Wie wird das in Frankreich, Italien und den USA gesehen? Wann ist eine Lüge überhaupt eine Lüge – und was ist der Unterschied zum Bluffen? Gudrun Kiesmüller ist die Leiterin für das Center for Digital Transformation. Sie hat sich viele Jahre mit Detailfragen der Ersatzteilversorgung beschäftigt. Also beispielsweise wie muss ein Fahrzeug mit Ersatzteilen bestückt sein, das ausrückt, um irgendwo etwas zu reparieren? Und wie kann man dies durch die gesamte Lieferkette abbilden? Sebastian Müller, unser Professor für Finanzwirtschaft, setzt sich in Lehre und Forschung mit den weltweiten Finanzmärkten, ihrer Wirkungsweise und dem Verhalten der Investoren auseinander. Er hat ein interessantes praxisorientiertes Buch für persönliche Anlage- und Altersvorsorgestrategien herausgebracht. Darüber hinaus beschäftigt er sich derzeit vor allem mit den praxisrelevanten Themen Digital Finance und Sustainable Finance. Demnächst wird er ein Angebot zum Thema Sustainable Investing im Rahmen unseres Weiterbildungsprogramms machen. Und David Wuttke, Assistant Professor für Supply Chain Management, beschäftigt sich mit Supply Chain Finance und Supply Chain Risk Management. Er geht also der Frage nach: Wie finanziere ich die ganze Lieferantenkette, und er hat ein Faible für den Einsatz von Augmented Reality und Virtual Reality in der Lehre entwickelt. Last but not least, Jingui Xie, Professor für Business Analytics, verfolgt in seiner Forschung das Ziel, dass prädiktive Informationen und Daten effizient in die Entscheidungsfindung von Unternehmen einbezogen werden. Insbesondere ist er daran interessiert, mithilfe von Big Data und Analysen das Gesundheitswesen weltweit zu verbessern. Mich selbst beschäftigt vor allem die ökonomische und gesellschaftlich nachhaltige Gestaltung der Digitalen Transformation in Wirtschaft und Verwaltung sowie die Chancen und Grenzen der Plattformökonomie.

wissensstadt.hn: Für die Anziehungskraft der TUM sind auch die Rankings für Lehre und Forschung mitverantwortlich. Gibt es da Neues zu vermelden? Muss die TUM ihren Briefkopf ändern, weil weitere Auszeichnungen und Top-Bewertungen dazu gekommen sind?

Prof. Helmut Krcmar: Der ehemalige Präsident der TUM hat mal dezent fordernd angemerkt, wir hätten noch 50 vor uns, um die beste Universität der Welt zu werden. Da gibt es schon noch was zu tun. Für mich ist wichtig, dass die TUM konsistent über alle verschiedenen Rankings hinweg sehr weit vorne landet und hohe Anerkennung bekommt. Sie gilt als eine der besten Universitäten Deutschlands – man ist ja bescheiden – und ist gerade in den Employability Rankings herausragend ….

wissensstadt.hn: Letztes Jahr hat die TUM neue Events in Heilbronn etabliert. TUM Talk, TUM Connect und der Supply Chain Finance Hub sollen zweimal jährlich installiert werden und Experten aus der Region sowie aus allen fünf Kontinenten nach Heilbronn locken. Weshalb sind ihnen solche Events – auch wenn sie remote stattfinden müssen – wichtig? 

Prof. Helmut Krcmar: Zum einen haben wir als Universität eine gesellschaftliche Verantwortung. Das, was wir an Forschungsergebnissen erzielen, müssen wir verständlich machen, damit man nachvollziehen kann, was wir da eigentlich tun und wozu es nützlich sein kann. Andererseits wollen wir als Universität unsere Probleme und Fragestellung, die wir lösen möchten, irgendwo herholen. Je mehr wir ins Gespräch kommen mit denen, die unser Wissen verwenden können oder verwenden wollen, desto eher verstehen wir auch, welche Probleme diese Menschen oder Organisationen in der Anwendung umtreiben oder umtreiben sollten. Deswegen ist uns dieser Transmissionsriemen der engen Vernetzung so wichtig.

Prof. Dr. Krcmar in seinem natürlichen Habitat.

wissensstadt.hn: Heilbronn bewirbt sich als Standort für den Innovationspark für Künstliche Intelligenz (KI) des Landes Baden-Württemberg. Das klingt nach einem Thema, das wie gemacht ist für die TUM und für Sie. Was würde aus ihrer Sicht ein möglicher Zuschlag für Heilbronn bedeuten?

Prof. Helmut Krcmar: Wir sind heute mit der School of Management da. Wir werden bald mit der Informatik Fakultät da sein und wir planen, das Munich Data Science Institut auch in Heilbronn zu installieren. Hinter Data Science stehen viele KI-Anwendungen. Um die wenigen globalen Talente, die es da gibt, sind viele Institutionen im Wettbewerb. Wir müssen vor allem hier neue Talente ausbilden, mit dem Ziel, abstrakte »Machine Learning«-Konzepte der KI-Technologien zu den Anwendungsbereichen zu bringen, um Lösungen zu entwickeln, die praktisch funktionieren. Solche Innovationen für die sehr zahlreichen unterschiedlichen Anwendungsbereiche zu schaffen und zu verbreiten, ist das Ziel des KI-Innovationsparks. Er würde nach Heilbronn passen, weil wir als TUM gemeinsam mit vielen Partnern am und um den Bildungscampus sowie in der Region, mit dem Thema Information Engineering beziehungsweise dem Heilbronn Data Science Institute, umfassende Grundlagen-, Anwendungs- und Begleitforschung, Innovations- und Gründungskapazität mitbringen, um die Menschen für die verschiedensten Domänen auszubilden. Man kann für die Regionen Heilbronn -Franken und Rhein-Neckar glaubwürdig sagen, dass es genügend Anwendungsprobleme gibt, die einer Lösung harren und die an genau diesem Standort beforscht werden können. Wenn man das KI-Zentrum in eine Region bringt, die mit den hiesigen Ausbildungsinstitutionen – von École 42 über DHBW und HHN bis zur TUM – so viel vor Ort hat und mit so viel Wirtschaftskraft gesegnet ist, entsteht ein wirklich vielversprechendes Innovations- und Umsetzungsschwergewicht.

wissensstadt.hn: Sind Sie zufrieden mit Heilbronns Bewerbung; ist sie konkurrenzfähig?

Prof. Helmut Krcmar: Ich drücke uns die Daumen. Wir werden sehen, was sich ergibt aus diesem Wettbewerb. Mir hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht, mit vielen anderen an der Bewerbung mitzuwirken. Das Thema findet ja nicht nur hier in Heilbronn-Franken Unterstützung. Aus Sicht der TUM ist es sehr zu befürworten, nun auch in Heilbronn die Zusammenarbeit mit der SAP zu vertiefen, die ja in der Metropolregion Rhein-Neckar angesiedelt ist, – neben dem, was bereits in München und Garching passiert. Das führt zu einer geschickten Bündelung. Das ist der Weg, den Heilbronn erfolgreich beschreitet: in diesen Themen die Fähigkeit als Wissensstadt voranzubringen. 

wissensstadt.hn: Es geht nicht ohne Kollaboration?

Prof. Helmut Krcmar: Für mich war der Bildungscampus eine Motivation, genau dies in Heilbronn anzupacken. Weil es den jungen Menschen die Chance gibt, an einem Ort verschiedenste Institutionen kennenzulernen. Deswegen ist mir der Wissensstadt Heilbronn e.V. sehr wichtig, weil er diese Verbindungen zwischen den Institutionen herstellt. Diese Fähigkeit, voneinander zu lernen, verschiedene Zugänge zum Wissen aufzubauen und auch wechseln zu können, je nach Lebenslage oder auch Lust und Laune, das ist für mich ein spannendes Experiment. Ich kenne keinen anderen Campus, wo man so eng nebeneinandersitzt, und ich finde das wirklich gut. Es ist wichtig, dass wir diese Vielfalt leben. Daran muss man weiterarbeiten. Und wenn sich dann alle miteinander vernetzen, ist es ein sehr hoher Attraktionspunkt für viele, nicht nur junge Menschen, nach Heilbronn zu kommen.