Bessere Hybridautos: “Nicht nur diskutieren, sondern umsetzen”

Professor Koch-Gröber lehrt im Studiengang Automotive Systems Engineering. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Antriebssysteme von Fahrzeugen. Im Interview mit HHN-Pressesprecher Torsten Robert gibt er Antworten auf wichtige Fragen zum vieldiskutierten Thema der “Plug-In-Hybrid Fahrzeuge”. Daneben stellt er das Hybrid-Konzept „100 hoch 3“ vor.

 

Koch-Gröbers Divise: “Wir haben die CO2-Emissionen rasch drastisch zu reduzieren, auch im Verkehrsbereich. Wie wir dahin kommen, muss nicht nur diskutiert und erforscht, sondern zeitnah umgesetzt werden.”

Professor Koch-Gröber, 2019 gab es erst 66.997 Plug-In-Hybrid Fahrzeuge in Deutschland. Hype sieht anders aus, oder?
Auch ohne Hype können wir vorankommen. 2020 haben sich die Zulassungszahlen von Plug-in Hybriden und auch von Batterie-elektrischen Fahrzeugen mehr als verdoppelt — zuletzt auf über 15 Prozent Marktanteil. Dies wird von großzügiger staatlicher Förderung befeuert. Und mit besseren Fahrzeugkonzepten sehe ich hohes Wachstumspotenzial.

Zurzeit gibt es mehrheitlich nur Plug-In-Hybrid Fahrzeuge mit extrem leistungsstarken Motoren, die auch entsprechend teuer sind. Wird es hier bald ein Umdenken und eine andere Motorisierung geben?
Die Nachfrage nach teuren Fahrzeugen ist existent. Es ist eine Illusion zu erwarten, dass Hersteller dieses Marktsegments in Zeiten des Klimawandels dem nicht nachkommen. Gut gemachte Plug-in-Hybride mit ausreichend elektrischer Reichweite können bei hohen Fahrzeugpreisen leichter dargestellt werden. So kann die Klimawirkung von Luxusautos signifikant reduziert werden, was bisherige Hybridfahrzeuge nur eingeschränkt leisten.

Wer sich jedoch um die aktuelle Herausforderung nicht schert und weiter dem Luxus eines spritfressenden Autos frönt, muss monetär mehr beitragen, damit der Staat in Zeiten des Klimawandels bei hohem Ressourceneinsatz für individuelle Mobilität andere Emissionsminderungen effizient initiieren kann.

Für Umwelt und Klima ist es vordringlich, die große Anzahl an Pkw der Kompakt- und Mittelklasse in allen Varianten wie Limousine/Kombi, SUV, Van und Sportfahrzeug zu erreichen. Dazu können verbesserte Plug-in-Hybride maßgeblich beitragen, weil sie auf bestehenden Fahrzeugplattformen und Produktionsanlagen mit Anpassungsentwicklungen dargestellt werden können.

Sie stehen für das Hybrid-Konzept „100³“. Sind das die verbesserten Plug-in-Hybride?
Ja. 100 mal 100 mal 100 – das sind die Eckdaten für Autos der Kompaktklasse. Gemeint ist damit zunächst eine ausreichende Reichweite von realen 100 Kilometern. Damit können die meisten 80- bis 90 Prozent ihrer Strecken rein elektrisch fahren. Viele argumentieren, dass nur eine Minderheit regelmäßige Arbeitswege über 40 Kilometer hätte. Das ist eine Fehleinschätzung, denn auf dem Arbeitsweg macht man oft Umwege zum Einkauf oder holen die Kinder ab. Ebenso sind Reserven in der Batteriekapazität notwendig, um für den Winter oder fordernde Strecken gerüstet zu sein. Dann ist es gut verkraftbar, für die seltenen wirklichen Fernfahrten > 100 km den Verbrenner einzusetzen, ohne dass man am unzureichenden Infrastrukturausbau noch lange leidet.

Die zweite 100 betrifft die elektrische Antriebsleistung. Unser Ziel sind hier mindestens 100 PS. Wenn man deutlich darunterbliebe, würde bei vielen Beschleunigungsvorgängen, wofür die Motorleistung im Fahrzeug in erster Linie eingesetzt wird, der Verbrenner einspringen. Das gilt es wegen der CO2-Emissionen auch für Fahrten auf Autobahnen im Ballungsraum und Landstraßen zu vermeiden. Solange es die Batterieladung erlaubt, ist das Fahrerlebnis primär elektrisch.

Die dritte 100 bedeutet, dass dann ein Verbrennungsmotor mit 100 PS ausreicht, mit dem Potentiale an Kosten und Bauraum zu holen sind. Damit kann man komfortabel auf Autobahnen mit 120 bis 140 km/h Fernverkehr bestreiten, wie auf der Urlaubsfahrt durch Frankreich. Man erreicht auch mal 160 bis 180 km/h. Ob schneller gefahren werden muss, kann der gesunde Menschenverstand entscheiden.

Typenvielfalt ist ein Kernelement des Automarktes. Daher wären Anpassungen des Konzeptes 100³ durchaus sinnvoll: für einen Van oder SUV der oberen Mittelklasse könnte ein 120³ überzeugen; im kostensensiblen Subkompaktfahrzeug wäre auch ein 80³ sinnvoll.

Interessant sind auch die leichten Nutzfahrzeuge bis 3,5 t, denn sie tragen erheblich zur Verkehrsleistung und damit den Klimaemissionen bei. Dort ist die Vielfalt der Nutzungsprofile noch größer, wobei viele Fahrten auch hier unter 100 km bleiben. Z. B. kann ein Handwerker die typischen Einsatzorte in der Umgebung problemlos elektrisch erreichen; wenn sein Dienstfahrzeug ihm den Auftrag aus einem entfernteren Ort unmöglich macht, ist das unakzeptabel – der Plug-in-Hybrid löst das Dilemma.

Wie stehen Sie zu bestehenden Batterie- Fahrzeugen?
Die Attraktivität des Automobils ist seine Vielseitigkeit. Oft hören wir, dass 80 Prozent aller Fahrten ohnehin unter 50 Kilometern blieben und man suggeriert, wir könnten doch prima mit heutigen batterieelektrischen Fahrzeugen hinkommen. Der Trugschluss ist, dass viele weiterhin recht viel Geld für ein Auto ausgeben, weil es genau diese 20 Prozent “ungewöhnlicher“ Fahrten ermöglicht. Daher passt für mich der Begriff „Reichweitenangst“ keineswegs: „Angst“ kann man durch Aufklärung, ‚gutes Zureden‘ (bei Kindern) überwinden – beim Autonutzer ist es ein erheblicher objektiver Nachteil, nicht mehr spontan bei ungünstigen Randbedingungen weit fahren zu können.

Auch für mich haben batterie-elektrische Fahrzeuge eine große Berechtigung, weil ein nicht kleiner Marktanteil gut bedient wird: Zweit- und Drittfahrzeuge, innerstädtische Dienstleistungen, wie mobile Pflege oder Auslieferungen. Daher kann ich mir problemlos Markanteile von 30 bis 50 Prozent im Jahr 2030 vorstellen. Wir wollen aber den großen Rest vielfältiger Nutzung des Autos erreichen, gerade auch als einziges Fahrzeug eines Haushaltes.

Am anderen Ende des Spektrums gibt es Nutzer*innen, die hohe Anteile an Fernverkehr bestreiten, zum Beispiel im Außendienst. Bis auf Weiteres sehe ich dieses kleinere Marktsegment mit einem modernen Diesel gut versorgt. Denn viele können sich die hohen Preise eines langstreckentauglichen Batterie-Fahrzeugs noch lange nicht leisten. Mittelfristig haben hier Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellen auch gute Chancen.

Bleiben wir bei Batterien. Die werden doch auch kritisch bewertet. Wie sieht hier Status quo aus?
Es wird noch lange viel dafürsprechen, lieber dreimal so viele Autos als verbesserte Plug-in-Hybride mit 20 kWh weitestgehend zu elektrifizieren, statt große Kapazitäten von 60 kWh oder mehr in ein Batterieauto zu verbauen. Ganz abgesehen von der Nachfrage im Fahrzeugmarkt sind ökologischer- und sozialer Fußabdruck der Batterie-Produktion und Rohstoffgewinnung heute nicht unkritisch, aber auch keineswegs ein Totschlagargument. Wirtschaftliche Risiken werden aber schon offenkundig: teilweise lange Lieferzeiten von Batterieautos, bei noch sehr begrenzten Stückzahlen. Investoren werden positiv gestimmt durch den Abschluss langfristiger Lieferverträge über Batterien. Die Autoindustrie hat gegenüber Zulieferern selbst die unselige Praxis gepflegt, bestehende Lieferverträge zu ignorieren und Preisnachlässe durchzudrücken. Bei einem potenziell großen Nachfrageüberhang bei Batterien sehe ich ein Risiko, dass wirtschaftliche Mechanismen die erwartete Kostendegression eventuell sogar umkehren könnten. Deswegen spricht für mich viel dafür, bei der Geschwindigkeit der Transformation den Bogen nicht zu überspannen.

Welche Hersteller sind an dem Thema dran und wann ist mit entsprechenden Fahrzeugen auf dem Markt zu rechnen?
Fast alle Hersteller bieten inzwischen Plug-in-Hybride. Aber kaum ein Fahrzeug bietet mehr elektrische Reichweite, als es der Gesetzgeber verlangt, um gefördert zu werden. Ich sehe das als strategischen Fehler, die Nutzerperspektive nicht höher zu priorisieren. Das Kostenargument überzeugt mich nicht, denn es geht um ca. 8 kWh zusätzlicher Kapazität, die heute kaum mehr als 1.000 Euro kosten dürfte. Beim VW ID3 hat die ProS-Version eine um 32 kWh größte Batterie als das Basismodell.

Ab 2022 muss eine 60 Kilometer Reichweite dargestellt werden, um förderfähig zu sein. Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, aber noch zu langsam. Immerhin hat Audi jüngst angekündigt, dass das wichtige Mittelklassemodell A4 ab 2022 als Plug-in-Hybrid tatsächlich 100 Kilometer Reichweite haben soll, dann werden Wettbewerber wie Daimler und BMW nachziehen. Übrigens hat Systemzulieferer ZF schon einen Prototypen BMW-3er, der sich überzeugend fährt und > 100 km Reichweite hat.

Wichtig ist es, die in der Stückzahl dominierenden Autos mit Frontquer-Motoren rasch zu erreichen. VW hat da mit dem neuen Platzhirsch Golf 8 leider eine Chance vertan: das Modell e-hybrid hat nur einen 54 PS starken Elektromotor. Die älteren erinnern sich an die gleiche Leistung des Golf 1 Diesel, der sich schon vor 40 Jahren nur mäßig dynamisch fuhr. Er wog 850 kg, der Golf 8 e-hybrid jedoch 1600 kg – also wird der Verbrenner viel zu häufig eingesetzt werden! Ich bin zuversichtlich, dass im Zuge von Modelpflegen die Angebote in unsere Richtung modifiziert werden.

Sie haben jetzt mit Thomas Poreski, technologiepolitscher Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion und Kai Burmeister, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Baden-Württemberg einen Lösungsvorschlag für zwei wichtige gesellschaftliche Herausforderungen vorgestellt: Wie kann unser Klima rasch wirksam geschützt und die zahlreichen Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie gesichert werden? Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Mit Thomas Poreski habe ich schon Anfang 2017 gut zusammengearbeitet und ein Programm zur Nachqualifizierung von Dieselfahrzeugen erarbeitet, um die damals noch weit verbreiteten überhöhten NO2-Immissionen zu vermindern. Er hatte Kontakte zur IG Metall und Kai Burmeister hat sich überzeugend eingebracht, den notwendigen Technologiewandel der Antriebstechnik mit zu gestalten.

Sie stellen gemeinsam die These in den Raum, dass durch die Produktion von Plug-In-Hybrid Fahrzeugen, Arbeitsplätze gesichert werden können. Können Sie uns diese These bitte erklären.
Ein großer Teil der Arbeitsplätze, die am Automobil hängen, sind in Zulieferbetrieben verortet. Viele von diesen sind schon weit in der Transformation einer elektrifizierten Antriebstechnik vorangekommen. Das bedeutet hohe Vorleistungen in Entwicklung und Produktionsanlagen, die auch in naher Zukunft nur begrenzt bisherige Umsätze sicherstellen können. Dafür können zwar ggf. sinkende, aber im Volumen noch lange hohe Stückzahlen an Komponenten von Verbrennungsmotoren die Transformation tragen. Man braucht kein Wirtschaftsstudium für die Erkenntnis, dass bei Krisen, welche die Substanz von Unternehmen tangieren, sehr schnell Arbeitsplatzabbau auf die Agenda kommt.

Übrigens sind nicht kleine Teile unserer Arbeitsplätze in Entwicklungsgesellschaften oder bei Dienstleistern zu Hause. Dort sind wechselnde Aufgabenstellungen Kern ihrer Kompetenz, die sie in naher Zukunft auch für verbesserte Hybridfahrzeuge einbringen dürften – wir können das!

Was fehlt Ihnen von der Politik zu diesem Thema?
Da gibt es viele Punkte: primär fehlt mir viel mehr Konsequenz, die CO2-Emissionen rasch drastisch zu reduzieren, auch im Verkehrsbereich. Wie wir dahin kommen, muss nicht nur diskutiert und erforscht, sondern zeitnah umgesetzt werden. In der Politik werden aber leider viel zu engagiert mittel- und langfristige Ziele diskutiert… zum Beispiel ob man 2034 die Produktion von Verbrennungsmotoren verbieten sollte. Das ist für mich zu billig, zu bequem, ganz nach dem Motto: bis dahin kann ja noch viel passieren.

Wenn wir bis 2030 40 Prozent (oder mehr) Reduktion der Klimaemissionen im Verkehrssektor erreichen wollen, dann ist die einfachste Leitlinie: ab sofort jedes Jahr vier Prozentpunkte weniger – davon sind wir weit weg! Also muss der Staat viel konsequenter fördern und fordern, auch wenn pauschale Argumente wie „Gängelung“ oder „Bürokratie“ aufkommen. Ohne Veränderungen im Verhalten der Menschen, bei denen ich (mich eingeschlossen) „Trägheit“ – ohne Vorwurf— als recht prägend wahrnehme, kommen wir nicht ausreichend voran. Drastische Einschnitte in das Mobilitätsbedürfnis sind aber andererseits richtigerweise nicht durchzusetzen. Gerade als Ingenieur sage ich: alleine durch technische Lösungen werden wir der Herausforderung nicht gerecht, aber intelligente technische Lösungen können sehr helfen!

Sie als Experte – Was ist Ihr konkreter Vorschlag?
Bei vielen neuen Fahrzeugen und ab Anfang 2021 ist bei allen die so genannte OBFCM (On Board Fuel Consumption Monitoring) an Bord: damit kann über den Diagnosestecker der Verbrauch, bei Hybriden auch die Nutzung elektrischer Energie, ausgelesen werden. Mein Vorschlag ist, einmal im Jahr bei einer Prüfstelle einen Beleg zu bekommen, für den ich eine signifikante Steuergutschrift erhalte, wenn ich sparsam fahre beziehungsweise den Plug-in-Hybrid überwiegend elektrisch nutze. Dafür können die Kfz-Steuern dann erhöht werden. Wer sich nicht um die aktuelle Herausforderung schert und weiter dem Luxus eines V8-betriebenen Autos frönt, muss monetär mehr beitragen; wer sich bewusst bewegt, wird über einige hundert Euro Steuergutschrift belohnt. Das sollte auch graduell geregelt werden: je weiter ich einen Referenzverbrauch unterschreite, umso mehr Gutschrift erhalte ich.

Politisch sollte auch ein Programm aufgelegt werden, dass Dienstwagenfahrer vom Unternehmen Boni für klimafreundliche Mobilität erhalten können. Heute bekommen nicht wenige zu ihrem Dienstwagen eine Tankkarte, mit der Kraftstoff pauschal abgegolten ist. Das impliziert, es sei gut, viel zu fahren und wieviel man verbraucht, sei egal. Solch eine Tankkarte halte ich für nicht mehr zeitgemäß. Moderne Abrechnungssysteme können ohne wesentlichen Mehraufwand sicherstellen, dass jede(r) den Verbrauch selbst zahlen.

Viel diskutierte Instrumente, wie Abschmelzen der Pendlerpauschale oder des Steuervorteils von Diesel, halte ich auch für sinnvoll, so lange es nicht zu drastisch ist. Letzteres würde keineswegs dem Dieselmotor den Garaus machen: Länder wie Großbritannien haben schon lange die gleichen Kraftstoffpreise und dennoch quasi dieselben hohen Anteile an Dieselfahrzeugen. Auch die Kraftstoffsteuer kann man in Maßen und über Jahre im Voraus definiert erhöhen, auch wenn es keineswegs die primäre Maßnahme sein kann, denn dann wird es sehr unsozial. Die Anfang 2020 auf zunächst 25 € pro Tonne beschlossene CO2-Bepreisung bedeutet weniger als 7 ct pro Liter Kraftstoff, das ist zu wenig und wird kaum steuernde Wirkung entfalten. In der Pandemie geht der Staat erheblich in die Neuverschuldung, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Aber niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass Geld auch nicht wieder‚ hereinzuholen‘ ist – da sehe ich es nur recht und billig, bei denen überproportional Abgaben zu erheben, die das Klima stärker belasten.

Und ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen würde schnell einige Prozent CO2-Minderung im Verkehrssektor bringen und eine dreistellige Anzahl vermiedener Verkehrstoten. Die verbissene Kontroverse hierzu könnte man entschärfen, indem der Bund einem Bundesland erlaubt, Bundesstraßen besten Ausbaustandards auf 100 km/h, noch 5% seiner Autobahnen auf 160 km/h und z. B. 1 % frei (bzw. auf 250 km/h) zu geben, letztere mit besonderer polizeilicher Überwachung.

Kritisch sehe ich in vielen Bereichen, dass die rechtswirksame Verabschiedung von wichtigen Regularien sehr lange dauert, oft bei der EU und der Umsetzung ins deutsche Recht. In Konsequenz handeln Ausführende, nicht zuletzt Ingenieure, zunächst unter Unsicherheit, anschließend unter großer Zeitdruck, was oft suboptimale Ergebnisse bringt.

Zum Schluss noch die Bitte um einen Blick in die Zukunft. Wann werden wir mehrheitlich reine E-Autos auf den Straßen dieser Welt sehen?
Nun, zunächst bin ich Prof, was jedoch nicht die Abkürzung für Prophet ist. Aber klar lohnt sich die Frage zu diskutieren. Es muss jedoch sauber getrennt werden, ob wir über Neufahrzeuge oder den Bestand sprechen. Bei Neuzulassungen in Deutschland kann ich mir gut einen Anteil von 50 Prozent an Batterieautos für 2030 vorstellen. „Autos auf den Straßen“ bezeichnet aber den Bestand, von dem die jährlichen Neuzulassungen in Deutschland nur etwa 8 Prozent betragen. Bei einem mittleren Alter der Pkw von ca. 9 Jahren werden wir auch 2035 noch große Anteile mit Verbrennern haben, denn deren Verbot wäre eine Enteignung, die ich nicht erwarte.

Primär muss man rekapitulieren, warum es den Trend zu E-Autos gibt: Wir müssen den Verbrauch fossiler Brennstoffe und damit die CO2-Emissionen drastisch reduzieren, auch im Verkehrsbereich, und zwar rasch. Daher sehe ich synthetische Kraftstoffe und/oder Wasserstoff nicht als primären Lösungsweg, denn selbst bei bekannter Technologie in einem recht reichen Land wie Deutschland wird die Installation eines solchen Energiesystems auch 2030 noch in den Kinderschuhen stecken, zumal wir selbst dann kaum ein Überangebot an regenerativer elektrischer Energie haben werden. Im Endeffekt würde eine „Erwartung“ kommender grüner Kraftstoffe noch viel zu lange den hohen Verbrauch von Rohöl-Produkten fortschreiben, die ja billig und bequem bleiben. In anderen sonnen- oder windreichen und weit dünner besiedelten Ländern sieht das schon bald tendenziell anders aus. Da muss man gar nicht in die Sahara gehen, sondern Länder wie z. B. Spanien, die Türkei, der Süden der USA oder Australien haben gute Voraussetzungen. Und solch „grüne“ Kraftstoffe sind für den Flugverkehr weitgehend alternativlos als Ersatz für fossiles Kerosin.

Generell sind die Wirkungsgradvorteile von Batterie und E-Antrieb einfach riesig, Orientierungsgröße ist Faktor 3 (Tank zu Rad ca. 75% ggü. 25 % Wirkungsgrad eines Antriebs mit Verbrennungsmotor allein). Klassische Schadstoffe wie NOx oder Partikel sehe ich schon bei heutigen Neufahrzeugen auf i. Allg. akzeptablen Niveau. Dennoch hat unser Hybridkonzept für mich durchaus auch langfristig eine gute Perspektive: wenn für gelegentliche Fernfahrten nur noch 10 % des bisherigen Aufwandes durch Kraftstoff abzudecken ist, kommen wir auf Mengen, die dann mit „grünen“ Kraftstoffen weitgehend CO2-neutral abzudecken wären. Und es blieben Vorteile, für die Fernverkehrstauglichkeit nicht sehr schwere und teure Batterien auf jeder Fahrt mitschleppen zu müssen. Klar ist auch, wenn die Batteriekosten und –gewichte tatsächlich in einigen Jahren halbiert würden, wie einige prophezeien, werden sich die Vorteile verschieben.

Zuletzt lohnt sich ein Ausblick in die Welt und deren Fahrzeugnutzung, die sich vielfach sehr von der in Deutschland und Europa unterscheidet. Wir sind recht dicht besiedelt, was zu hohen Anteilen kurzer und mittlerer Streckenlängen führt. Des Weiteren haben wir mit der Bahn ein weitgehend elektrifiziertes Verkehrsnetz, was auch noch einiges an Potenzial hat, wie die Schweiz zeigt. In vielen Ländern dieser Welt, so in Lateinamerika (wo ich mich ganz gut auskenne), aber auch Afrika und Asien fährt man Bus und Lkw über die Distanz, denn Bahnnetze sind oft marginal bis nicht existent und außer gewissen Sonderfällen auch kaum signifikant als Neuaufbau zu erwarten. Ebenso unrealistisch halte ich dort Oberleitungen über tausende km Fernstraßen, wie sie in Deutschland mit durchaus interessanter Perspektive (auch an der HHN) untersucht werden. Da batterie-elektrische Fernbusse oder Antriebe durch Wasserstoff ich noch sehr lange für nicht wirtschaftlich darstellbar halte, insbesondere in ärmeren Ländern, werden wir auch 2040 noch viele Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren weltweit produzieren und auf der Straße haben – als Busse auch ökologisch sehr sinnvoll.

Aber nun habe ich mich zuletzt doch als Prophet versucht. Gerne diskutiere ich diese Themen weiter, zeitnah oder 2030 und darüber hinaus!

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