Wie die Arbeitsteilung mit der Dieter Schwarz Stiftung andernorts wahrgenommen wird, zeigen aktuelle Beiträge in überregionalen Medien. Dabei kommt die Anerkennung für das Engagement der Dieter-Schwarz-Stiftung nicht zu kurz, aber es gibt auch Kritik.
Von Christian Gleichauf (Heilbronner Stimme)
“Mit vollen Taschen” lautet die Überschrift, unter der zuletzt “Die Zeit” Heilbronn und seinem Mäzen Dieter Schwarz eineinhalb Seiten widmete. “Ich bau mir eine Stadt” titelte kurz zuvor das “Manager Magazin” und stellte über viele Seiten die Entwicklungen rund um den Bildungscampus dar. So macht die milliardenschwere Dieter-Schwarz-Stiftung und ihr spezielles Engagement für Heilbronn bundesweit Schlagzeilen.
Der Blick auf die Stadt fällt dabei nicht unkritisch aus. Doch die Idee, aus einer ehemaligen Industriestadt eine “Wissensstadt” zu machen, wird zunehmend mit einer Mischung aus Respekt und Neid zur Kenntnis genommen.
Worauf Journalisten von auswärts bei ihren Besuchen achten
Warum gerade jetzt? Vielleicht hat es mit dem 27. Juli 2021 zu tun. Damals bekam Heilbronn den Zuschlag für den Innovationspark Künstliche Intelligenz und damit die Zusage für 50 Millionen Euro vom Land. Da gingen dann offenbar einige auf Spurensuche.
Bemerkenswert ist, worüber Journalisten aus München, Hamburg und anderen Teilen der Republik stolpern, wenn sie nach Heilbronn kommen. Dass etwa überall, wo sie auf dem Bildungscampus empfangen werden, Wasserflaschen von Lidl auf dem Tisch steht. Vor drei Jahren in der “Süddeutschen Zeitung” waren sie noch “knallblau”, inzwischen sind sie “blassgrün”.
Als Stilmittel deuten sie aber in jedem Fall an, was man nicht gern ausspricht: Dieter Schwarz ist hier omnipräsent, auch wenn man ihn kaum zu sehen bekommt und er schon gar keine Presseanfragen beantwortet, sich bewusst nicht ablichten lässt. Trotzdem verwenden überregionale Zeitungen inzwischen regelmäßig heimlich aufgenommene Fotos von ihm – oder sie lassen ihn einfach zeichnen, so dass ihn jeder erkennt, und nennen ihn vielsagend “das Phantom”.
Unsichtbar ist Dieter Schwarz in Heilbronn nicht
“Das ist Quatsch, weil man ihn als Heilbronner überall zu sehen bekommt”, sagt Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel. “Dieter Schwarz ist ein Mensch aus Fleisch und Blut.” Doch mehr als das Bild von Schwarz würde Mergel gerne das Image nachschärfen, das der Stadt in den Medien zugedacht wird. Selbstbewusst sagt er: “Wir sind die Universitätsstadt der Zukunft.” Das riecht ein kleines bisschen nach Selbstüberschätzung.
Doch der Satz steht in einem Zusammenhang. Denn die neue Stärke Heilbronns war vor nicht allzu langer Zeit noch seine große Schwäche. Nachdem 1967 Ulm den Zuschlag für die letzte neue Universität im Südwesten bekam und Heilbronn als Trostpflaster nur eine Ingenieurschule, entwickelten sich die zwei Städte und Regionen beispielhaft in zwei Geschwindigkeiten.
Lange Zeit gab in diesem Landesteil wenige Hochschulabsolventen
Ulm gedieh prächtig. Und nirgendwo im Land gab es so wenig Hochschulabsolventen wie im Norden Baden-Württembergs. Heilbronn, das war schon 1991 in der Heilbronner Stimme “die vergessene Hochschulregion”. Das Defizit, das sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, soll nun “in Riesenschritten” aufgeholt werden, sagt Mergel. Möglich macht das die Dieter-Schwarz-Stiftung und der Mann dahinter.
Dabei gibt es eine Arbeitsteilung, wie der OB erläutert. Die Stadt konzentriere sich auf Kindergärten, Grund- und weiterführende Schulen, also den primären und sekundären Bildungsbereich, die Stiftung auf den tertiären, also die Hochschulen.
Und natürlich gibt es für die Stadt auch sonst viel zu tun. Die Verkehrswende soll vorangetrieben werden, der Klimaschutz. Es werden Wohnungen gebaut, damit die steigende Nachfrage halbwegs bedient werden kann. 500 Einheiten entstehen im Schnitt pro Jahr, zum großen Teil über die städtische Wohnbaugesellschaft Stadtsiedlung.
Der Einsatz der Stiftung geht in den Milliardenbereich
Während die Stadt Heilbronn jährlich um die 50 Millionen Euro investiert, setzt die Stiftung seit Jahren erheblich mehr, in manchen Jahren ein Vielfaches. Einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag hat allein die neue Experimenta gekostet. Auf dem Bildungscampus lag die gläserne Bibliothek schon bei geschätzten 70 Millionen Euro, dazu ein zehnstöckiger Turm für die Stiftung und die TU München und zahlreiche weitere Gebäude, 31 Stiftungsprofessuren auf 30 Jahre für die TUM, die davon 22 in Heilbronn besetzt.
Unter dem Strich ist die Milliarden-Grenze also längst überschritten. Zahlen nennen aber weder Stadt noch Stiftung. Und es geht weiter, Schlag auf Schlag. Die nächste Erweiterungsfläche auf dem Media-Markt-Areal sowie beim bisherigen Wasser- und Schifffahrtsamt wird neu überplant. Wieder werden also dreistellige Millionenbeträge investiert.
Wer macht sich hier wie die Taschen voll?
Das alles passiert in einer Geschwindigkeit, die jeden klassischen Immobilienentwickler mit den Ohren schlackern lässt. Nachvollziehbar ist, dass für Dieter Schwarz das Tempo kaum hoch genug sein kann. Mit seinen inzwischen 82 Jahren möchte er wohl zumindest ansatzweise noch beobachten können, welchen Effekt sein Engagement hat.
Doch geht dabei alles mit rechten Dingen zu? Wer macht sich hier wie die Taschen voll? Das ist die Frage, die bei jeder größeren Berichterstattung im Raum steht. Etwa wenn Kritik daran laut wird, dass die Verträge mit der TU München nicht öffentlich sind. Wenn die Entstehung des Heilbronner Bildungscampus mit der Entwicklung von Projekten in China verglichen wird. Oder wenn in schöner Regelmäßigkeit erzählt wird, wie sich Dieter Schwarz nur einmal aus der Deckung traute und sich 2014 vor der OB-Wahl in Heilbronn für Harry Mergel aussprach. Für Kritiker ist allein damit schon jede Unabhängigkeit Geschichte.
Mergels Interpretation ist eine andere. “Ob das eine Hilfe war, darüber lässt sich streiten.” Das Risiko sei groß gewesen, dass die Wähler so eine Einmischung nicht goutieren. Aber es sei gut gegangen. Er selbst sieht es als Unterstützung eines Mannes, mit dem er damals bereits seit vielen Jahren eng zusammengearbeitet hatte. Bei den Bildungsthemen, vor allem bei der Experimenta, die 2005 auch Mergels Idee war. Dieter Schwarz nahm sie auf, setzte sie um. Er sei mit ihm auf einer Wellenlänge, was die großen Themen in der Stadt angeht, sagt Mergel.
Mergel: Der Gemeinderat nickt nicht nur alles ab
Trotzdem frage sich der Gemeinderat bei jeder einzelnen Entscheidung, wo der Mehrwert für Heilbronn ist. “Wenn wir das Gefühl hätten, eine Entscheidung geht zulasten der Stadt, würden wir nicht mitgehen”, versichert Mergel.
Trotz seltener kritischer Einwürfe: Auch im Heilbronner Gemeinderat ist unbestritten, dass die Stadt insgesamt profitiert – und zwar in einem Ausmaß, das vielen unheimlich ist. Das ist in der Region so, und erst recht außerhalb.
Erklärungsversuche gehen aber auch mal daneben. Als sich etwa die Landesregierung entschied, die 50 Millionen Euro für den KI-Innovationspark nach Heilbronn zu geben statt ins bereits bestehende “Cyber Valley” nach Tübingen, zeigte eine Karikatur im “Schwäbischen Tagblatt” einen Bauer auf seinem Traktor mit HN-Kennzeichen.
Schlitzohrig antwortet er auf die Tübinger Lobpreisung der eigenen Stärken: “Wir haben den Bauplatz!” Als ob das der entscheidende Punkt gewesen wäre. Das Image von Heilbronn verändert sich in Teilen der Republik eben langsamer als das Antlitz der Stadt, die mit der Bundesgartenschau allerdings schon viele von sich überzeugt hat.
Viele arbeiten an der Transformation der Stadt
Welches Label hat die Stadt also verdient? Bildungsstadt? Wissensstadt? Universitätsstadt? Zukunftsstadt? Es geht darum, auch das wird in den jüngsten Artikeln herausgearbeitet, einer von der Automobilindustrie geprägten Wirtschaftsregion neue Möglichkeiten zu verschaffen. Daran arbeiten die Stadt, die Unternehmen und natürlich auch die Einrichtungen auf dem Bildungscampus.
Parallel dazu soll ein Start-up-Ökosystem entstehen, das Innovationen fördert und die Transformation ermöglicht. “Diese Geschichte müssen wir aktiv nach außen tragen”, sagt Björn Conrad von den Campus Founders. “Denn noch ist Heilbronn maximal ein Hidden Champion auf der Landkarte.”
Wenn sich das ändern soll, braucht es aber auch eine neue Kultur in der Stadt. Eine, die junge Leute anzieht, betont Conrad. Davon ist in den überregionalen Medien noch kaum die Rede. Dabei diskutiert Heilbronn seit Jahren darüber, wie es zu einer Stadt werden kann, die junge Leute anlockt wie eine bunte Blumenwiese die Bienen. Einrichtungen wie die Programmierschule 42, die für begabte junge Menschen weltweit als Magnet wirkt, werden einen Beitrag leisten. Der Rest bleibt den Heilbronnern überlassen.
Die Reaktion auf dem Bildungscampus
Bei den Einrichtungen auf dem Bildungscampus überwiegt angesichts der hauptsächlich positiven Berichterstattung die Freude. Die Aufbruchstimmung in der Stadt werde gut transportiert. Kritisch gesehen werden die Überschriften, und dass der Fokus auf die Stiftung als alleiniger Akteur etwas zu eng gefasst sei. Es greife zu kurz, wenn man nur das Geld sehe, mit dem die Stadt “umgebaut” werde. Zu den Einrichtungen, denen die Dieter-Schwarz-Stiftung eine neue Heimat auf dem Bildungscampus gegeben hat, gehören die DHBW und ihr Center for Advanced Studies (CAS), die TU München, die Hochschule Heilbronn, die Akademie für Innovative Bildung und Management (AIM), die Campus Founders und die Coding-Schule 42. Außerdem haben sich das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und das Ferdinand-Steinbeis-Institut angesiedelt.
Zusammengeschlossen haben sie sich im Verein Wissensstadt Heilbronn, zu dem auch die Experimenta gehört. Dieser Verein dürfte noch wachsen, wenn mit dem Innovationspark Künstliche Intelligenz auf den Böllinger Höfen weitere Institutionen und Unternehmen nach Heilbronn finden. Die Kofinanzierung des KI-Parks, die Voraussetzung für die 50-Millionen-Euro-Förderung ist, kommt – natürlich – von der Dieter-Schwarz-Stiftung.