Digitale Transformation: Veränderungswille braucht klare Ziele

Transformation soll keine Last sein, sondern Chance, erklärt TUM-Professor Helmut Krcmar bei einem Unternehmerabend des BVMW. Trotzdem kommt nicht automatisch bei jedem Begeisterung für umbruchartige Veränderung auf.

Von Christian Gleichauf, Foto: Christian Gleichauf 

Bei der Transformation geht es um verzwickte Probleme. Das arbeitet Helmut Krcmar an diesem Abend heraus. Deshalb gibt es auch keine einfachen Lösungen, wie mit einer Digitalisierung Geschäftsmodelle angepasst und Unternehmenskultur verändert werden kann, so der Gründungsdekan der TUM Campus Heilbronn. Entscheidend sei, so Krcmar, dass man eine Vision habe.

Lange Anfahrt und eine Frage

Nicola Bernhard ist die 185 Kilometer aus Friedberg bei Augsburg bis nach Waldenburg ins Panoramahotel gefahren, um bei dem ersten Präsenztermin des Mittelstandsverbands BVMW seit dem vergangenem Sommer dabei zu sein. Entsprechend möchte sie auch etwas mitnehmen. “Sagen Sie mir doch in einem Satz, wie ich zu der Vision für mein kleines Unternehmen komme.”

Krcmar versucht es. “Wenn Sie jetzt acht Leute beschäftigten, dann planen Sie doch für 16, aber nicht in Vollzeit.” Zudem könne sie sich Best-Practice-Beispiele anschauen.

Netflix hatte nicht sofort das vor Augen, was es heute macht

Vieles entwickle sich erst mit der Zeit, betont der Wirtschaftsinformatiker Krcmar. Auch Netflix habe nicht mit der Idee eines Streamingdienstes begonnen. “Die haben mit dem Versand von Videocassetten als Alternative zur Videothek angefangen.” Schritt für Schritt erst habe sich das heutige Geschäftsmodell entwickelt.

Und Schritt für Schritt müsse es insbesondere bei etablierten Unternehmen gehen. Denn verändert werden muss in der Regel die Organisation, die Technik und der Mensch, und jede Veränderung eines Teils wirke sich auf die anderen zwei aus. Vorhersagen seien in so einem System sehr schwierig.

Das Thema macht manchen auch Angst

Die Unternehmer sind an diesem Abend nicht in Massen nach Waldenburg geströmt. Gut besetzt ist zwar der für gut drei Dutzend Gäste bestuhlte Konferenzraum. Doch es hätten mehr kommen dürfen, findet auch Veranstalter Martin Steinbach vom BVMW in Schwäbisch Hall. Manche sind des Themas möglicherweise schon überdrüssig.

Andere haben vielleicht auch jene Ängste, die eine Besucherin formuliert: “Ich bin so drin in meiner Komplexität. Und ich habe das Gefühl, dass mir dieses Thema Lebenszeit raubt.” Es fehle ihr die Kraft, das alles anzugehen.

Doch niemand muss allein da durch. Ein Gutteil der Besucher kommt von der Beratungsseite. Dort weiß man auch, dass viel Geld bereitsteht, um die richtigen Ideen zu entwickeln. So bietet Ingo Bücher mit seiner Beratungsfirma Incomma.de Förderchecks für Unternehmen an.

Petra Hildenbrandt von der Arbeitsagentur in Heilbronn macht Werbung für Weiterbildungsangebote. Ebenfalls dabei sind Melanie Schlebach von der Erstberatungsstelle der Wirtschaftsförderung in Schwäbisch Hall und auch Andreas Schumm von der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken. Die Wirtschaftsförderer in Heilbronn warten weiter auf Geld aus Berlin für die Transformationsoffensive in der Region.

Für Nicola Bernhard bleibt trotz der vielen Tipps die Frage, ob ihre Mitarbeiter bereit wären, den Weg mitzugehen. Krcmar ist sicher, dass das nicht auf alle zutrifft. “Auch Ihre Mitarbeiter wachen morgens nicht auf und sagen, ,Endlich kann ich mit der digitalen Transformation beginnen!” Sie müssen herausfinden, wer mitzieht.”