Bei der Eröffnung des KI-Salons Heilbronn treffen Kunst und Künstliche Intelligenz aufeinander

Musik komponieren wie Johann Sebastian Bach, Porträts zeichnen nach vorgegebenen Mustern: Bei der Eröffnung des KI-Salons in der Maschinenfabrik Heilbronn erfahren Besucher, wie Künstliche Intelligenz und Kreativität zusammengehen – etwa anhand der Arbeiten von Sabine Wieluch und Tristan Behrens.

Von Christoph Feil, Foto: Nico Kurth

Wie hoch muss der menschliche Anteil an einem Werk sein, damit dieses als Kunst gilt? Welche Hilfsmittel darf ein Künstler etwa beim Komponieren eines Musikstückes, Zeichnen eines Porträts oder Schreiben einer Erzählung benutzen? Was ändert sich für das Publikums, wenn es erfährt, dass ein Computerprogramm bei der Entstehung eines Werkes beteiligt gewesen ist? Mischt Künstliche Intelligenz (kurz: KI) beim kreativen Schaffensprozess mit, entspinnen sich ebenso spannende wie leidenschaftlich geführte Diskussionen. Kürzlich zu beobachten etwa, als ein Brettspiele-Entwickler im US-Bundesstaat Colorado bei einem Kunstwettbewerb ein mit Hilfe von KI erzeugtes Gemälde eingereicht hatte – und gewann. Die Eingabe von Stichwörtern und Vorgabe von Stilrichtungen reicht inzwischen aus, um sich von bestimmten Systemen annähernd fotorealistische Fantasiebilder kreieren zu lassen.

Die interaktive Installation „Pattern Portraits“ zeichnet Porträts nach Fotos

Fotos wiederum bilden den Ausgangspunkt von Sabine Wieluchs neuer Arbeit „Pattern Portraits“, die die Medieninformatikerin bei der Eröffnung des KI-Salons am vergangenen Freitag und Samstag in der Heilbronner Maschinenfabrik präsentiert. Besucher können sich bei der interaktiven Installation mittels Webcam fotografieren lassen, ein KI-System interpretiert dieses Bild und macht daraus eine digitale Porträtskizze. Ein sogenannter Stiftplotter – eine Art Drucker – überträgt diese schließlich per Fineliner auf Papier.

Wie das Ergebnis aussieht, weiß Wieluch alias Bleeptrack vorher „nur bedingt“. Trainiert hat sie das dahinterstehende Programm nur mit ein paar von ihr selbst gekritzelten Dreiecken, Spiralen und Wellen. Nachdem die KI gelernt hatte, diese Strukturen so originalgetreu wie möglich nachzubilden, hat Wieluch sie so programmiert, dass sie – mit den Formen und Mustern spielend – Porträts nach Fotos zeichnet. „Jeder Strich hat eine Verbindung zum anderen“, sagt die 30-Jährige, die derzeit Artist in Residence an der Heilbronner Programmierschule 42 ist, dort also unter anderem eigene Projekte und Workshops mit Studenten realisiert.

Die KI, die gelernt hat, wie Barock-Genie Bach zu komponieren

Mit Musik befasst sich Diplom-Informatiker Tristan Behrens, der über KI promoviert hat und Wieluch 2023 als Artist in Residence ablösen soll. Im KI-Salon ist er mit der Arbeit „Neuro Kybernetik Bach“ vertreten: einer KI, die anhand von Chorälen verinnerlicht hat, wie Johann Sebastian Bach zu komponieren. Vierstimmige Passagen im Stile des Barock-Genies berechnet das System auf Knopfdruck in Windeseile.

Neuronales Netz, Data Set, Deep Learning: In einem Workshop erklärt der KI-Komponist Teilnehmern am Samstag zudem, wie er dabei vorgegangen ist – und auch ein Tool zum Generieren von Heavy-Metal-Bausteinen geschaffen hat. „Klingt alles gut, aber es erzählt keine Geschichte“, kommentiert Behrens die Leistungen dieses Tools. „Das heißt, ich kann eine Strophe am Anfang haben, dann kommt so etwas wie ein Refrain.“ Die Strophe wiederholen, ein Intro und ein Outro dazu komponieren, das kann die KI nicht. Weswegen sie für Behrens auch nur ein kleiner Helfer ist, der etwa bei einer kreativen Blockade einen Tipp geben kann. Für ein komplettes Musikstück braucht es also (noch) den Dialog zwischen Mensch und Maschine.

 

Mit freundlicher Genehmigung der Stimme Mediengruppe & der Heilronner Stimme